Montag, 22. Juli 2013

Die Kinder von Hamlin

Buchbesprechung Carter, Carmen: Die Kinder von Hamlin. Heyne, 1988/ 1990.

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Story: Die USS Enterprise NCC-1701-D ist mit einer mäßig spannenden Aufgabe betraut: Das majestätische Flaggschiff der Sternenflotte soll das Taxi für einen sturen Haufen hinterwäldlerischer Weltraum-Amish zu einem weit entfernten Kolonieplaneten spielen. Doch während dieser Routinemission entdecken die Sensoren des Raumschiffes einen Kampf in den vermeintlich leeren Weiten des benachbarten Sektors. Als sich die Besatzung unter dem Kommando Jean-Luc Picards der Szenerie nähert, muss sie entdecken, dass sich das Sternenflottenschiff USS Ferrel unmittelbar vor seiner Zerstörung befindet. Das gegnerische unbekannte Flugobjekt, ein seltsam anmutendes Gebilde aus schillernden Blasen, kann erst im letzten Moment davon abgebracht werden, das veraltete Schiff der Constellation-Klasse in einen Stück zusammengepressten Weltraumschrott zu verwandeln.
Nachdem es den Rückzug antritt, beginnt die Crew der USS Enterprise damit, die Überlebenden vom arg gebeutelten Sternenflottenkreuzer zu retten.Doch unter den erstaunlich überschaubaren neuen Passagieren befinden sich auch zwei Personen, die von den nur wenig redseligen übrigen Offizieren mit besonderer Abscheu bedacht werden. Schnell wird  Captain Picard bewusst, dass es sich bei Deelor und seiner Assistentin Ruth um Agenten des Sternenflottengeheimdienstes handeln  muss.
Ehe der Kommandant der Enterprise angemessen reagieren kann, übernimmt Deelor die Befehlsgewalt über das Schiff der Galaxy-Klasse. Er zwingt die Besatzung, an der Jagd auf den unbekannten Gegner teilzunehmen, weil er auf eine Beute der ganz besonderen Sorte hofft:
Die vor mhr als fünfzig Jahren auf mysteriöse Art und Weise verschwundenen Kinder einer Bergbaukolonie namens Hamlin...




Lobenswerte Aspekte: "Kann denn nicht einmal jemand  an die Kinder denken?!" Wer ein Buch erwartet hat, das Helen Lovejoys melodramatischer Aufmerksamkeitszuwendung für Heranwachsende teilt, wird eines Besseren belehrt, denn abgesehen von Wesley Crusher, einem mit diesem befreundeten, gleichaltrigen Nachfahren technophober Kartoffelbauern sowie einem zweijährigen Kaspar-Hauser-Waisen spielen Kinder in dem Buch keine wesentliche Rolle. Natürlich nervt der junge Superfähnrich ehrenhalber auch hier, doch im Vergleich zu so mancher TNG-Episode wirkt selbst der Jar Jar Binks des Star-Trek-Universums vergleichsweise sympathisch.
Autorin Carmen Carter, der es bereits mit ihrem Werk "McCoys Träume" gelang, lebhaft unter Beweis zu stellen, dass sie gute Star-Trek-Romane verfassen kann, beschrieb in der Danksagung, dass ihr im Vergleich zwischen beiden Werken in diesem Fall nur drei Monate zur Fertigstellung vergönnt waren (vgl. S. 287). Doch dieser immense Zeitdruck hat dem Buch unglaublich gut getan - es braucht den Vergleich mit ihrem Debüt keineswegs zu scheuen.
"Die Kinder von Hamlin" verfügt über eine vernünftige Kapiteleinteilung (keinesfalls eine Selbstverständlichkeit bei einem so frühen Star-Trek-Buch), spannende und wenig vorhersehbare Entwicklungen (gleichermaßen keine Selbstverständlichkeit bei einem so frühen Star-Trek-Buch) und trifft auch den Großteil der Charaktere zielsicher (ganz bestimmt keine Selbstverständlichkeit bei einem so frühen Star-Trek-Buch). Selbst der Umstand, dass Wesley Crusher hier den Androiden Data trotz dessen höheren Dienstgrades in seinen ausschweifenden Ausführungen abwürgt (vgl. S. 191), wirkt nicht deplatziert, sondern fügt sich nahtlos in die Geschichte eines Running Gags ein, der in ähnlicher Form des Öfteren in der Fernsehserie fiel. 
Die Handlung passt in die erste Staffel; nicht zuletzt, weil sich Carter Mühe gab, die 1988 noch spärlich gesäten Information zu einem großen Ganzen zu verbinden. So fallen mehrere Querbezüge auf Ereignisse innerhalb der ersten Staffel (vgl. z.B. S. 225, S. 40 oder S. 111), auf die Originalserie (vgl. S. 100) oder gar die stiefmütterlich gern unter den Tisch gekehrte Zeichentrickserie (vgl. S. 138). Darüber hinaus offenbart sie kassandrisch anmutende Weitsicht, denn ihre Konzeption des undurchsichtigen Geheimdienstlers Deelor riecht verdächtig nach Sektion 31.
Höhepunkt auch dieses Romans bleibt die fremde Spezies, um die sich die Ereignisse drehen. Die
Choraii sind eben kein Volk, die einem heutzutage gängigen Verständnis von Staatlichkeit entsprechen, sondern verkörpern etwas wirklich Fremdartiges, dass sich nicht so ohne Weiteres mit menschlichem Bewertungsmaßstäben erfassen lässt. Diese erfrischend reizvolle Unvertrautheit setzt sich in Schiffsbau, Wohnsituation und Handelsstruktur fort und auch wenn der ein oder anderen Aspekt an Klassiker wie "Abyss - Abgrund des Todes" oder "Unheimliche Begegnung der dritten Art" denken lässt, bleiben die Choraii selbst nach der letzten Seite ein fortwährendes Mysterium.

Kritikwürdige Aspekte: Nicht nur hierzulande, sondern vor allem auch in den USA erfreut sich die Legende des "Rattenfängers von Hameln" einer großen Beliebtheit. Deutschstämmige Einwanderer brachten die Erzählung an das gegenüberliegende Ufer des den große Teichs, wo sie bis heute bei Schulaufführungen, in Kinderbüchern oder Trickfilmserien regen Zuspruch findet. Nur der für englischsprachige Zungen vergleichsweise sperrige Ortsname 'Hameln' wurde in ein flotteres 'Ham(e)lin' umgewandelt.
Ob der Popularität dieses Themas verwundert es also nicht sonderlich, dass irgendwann einmal jemand darauf gekommen ist, diesen Stoff auch als Grundlage für eine Star-Trek-Geschichte zu adaptieren.
Daher richtet sich mein Vorwurf auch nicht an die Verwendung des Topos', sondern viel eher an der all zu deutlichen Offensichtlichkeit. Immerhin stellt es schon einen immens großen Zufall dar, dass ausgerechnet in einer Kolonie mit dem Namen 'Hamlin' Kinder entführt werden (vgl. S. 56). Um die Wahrscheinlichkeit noch mehr zu strapazieren, nutzt das edelmetallsüchtige Kidnappervolk auch noch ausgerechnet virtuoses Flötenspiel zur Kommunikation (vgl. S. 132). Obgleich sich eine solche literarische Verarbeitung normalerweise problemlos an einen Leser verkaufen lässt, wirkt sie bei einer Science-Fiction-Geschichte im Star-Trek-Universum völlig unangebracht. Immerhin lebt ganz besonders diese Franchise davon, ein idealisiertes, aber dabei doch glaubhaftes Bild der Zukunft zu vermitteln. Dieser allzu offensichtliche Kunstgriff jedoch rüttelt an dieser Glaubwürdigkeit und stellt das Werk damit in einen krassen Gegensatz zu dem, was 'StarTrek' eigentlich ausmacht.
Schließlich möchte man in diesem Universum auch nicht unbedingt von einem Enterprise-Noteinsatz beim Lummer-Planeten lesen, auf dem die Absturzüberlebenden James Button und sein Kompagnon Luke aus den Wrackteilen Schienenfahrzeuge bauen und auf der einzigen, mit zwei markanten Erhebungen ausgestatteten Landmasse ein umfassendes Nahverkehrsnetz aufbauen und damit die Oberste Direktive verletzen (obwohl ich zugeben muss, dass das jetzt irgendwie reizvoller als beabsichtigt klingt).



Ein wenig mehr Subtilität im Umgang mit einem solchen kulturellen Allgemeinplatz hätte dem Star-Trek-Roman schlichtweg besser zu Gesicht gestanden.
Ferner bleibt eine Person von den ansonsten sehr treffend geschilderten Charakteren ausgenommen:
Doktor Beverly Crusher ähnelt in ihrer Anlage zu sehr an ihre Nachfolgerin Doktor Katherine Pulaski.
Der von Diana Muldaur porträtierte Schiffsarzt wurde ihrerseits an einem anderen prominenten Vorbild orientiert:
Doktor Leonard McCoy.
So muss man hier miterleben, wie die Medizinerin erschreckend raubeinig gegenüber Patienten (vgl. z.B. S. 127, S. 165 oder S. 195) und erschreckend schroff gegenüber ihren Kollegen agiert (vgl. z.B. S. 157, S. 163 oder S. 175). Zudem entwickelt sie einen stark von ihrem Wesen abweichenden Hang zu brachialen Flüchen (vgl. S. 135 oder S. 157) und Bibelreferenzen (vgl. z.B. S. 174 oder S. 185), der eher der allseits bekannten Südstaatlermentalität eines bestimmten 'einfachen Landarztes' entsprechen würde und sobald ihr der Satz "Er ist tot." (S. 52) über die Lippen kommt, liest man im Geiste ohnehin schon längst ein "Jim" bzw. "Jean-Luc" mit.

Übersetzung: "Die Kinder von Hameln" – zugegeben, dass klingt trotz der geringen Buchstabenabweichungen gleich einige Nuancen weniger 'cool' als "Die Kinder von Hamlin".
Aber entgleitet damit der deutschen Sprache nicht bereits zum zweiten mal ein verlorenes Kind?
Immerhin handelt es sich um eine mehr als fünfhundert Jahre alte Sage, die ein wesentliches Produkt der hiesigen Kulturlandschaft darstellt. Schon allein aus diesem Grund müsste sich die deutsche Namensherkunft aufzwängen, zumal die Namen der Choraii-Schiffe ohne Rücksicht mit den damit verbundenen Wortspielen auch in unsere Sprache übertragen wurden (vgl. S. 107 und S. 265).
Andererseits umgibt den deutschsprachige Leser damit immerhin auch ein wohlwollender Hauch der Entfremdung, der die Rattenfänger-Thematik weniger offensichtlich ausfallen lässt. Während das Original also mit dem Holzhammer die Handlungsanleihen vorwegnimmt, nötigt das Werk in seiner Übersetzung seinem Rezipienten immerhin etwas Puzzlearbeit ab.
Ich kann daher nicht genau sagen, ob der Titel nun gut oder schlecht gewählt ist. Bei einem vollständig deutschen Titel hätte ich diesen Unterpunkt aber wohl gar nicht erst mitaufgenommen.

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Dafür gibt es an anderen Stellen genug zu kritisieren.
In allerbester Heyne-Tradition wird da eine eigene, von der deutschen Synchronisation unbeeindruckte Neusprech-Version eingeführt, die fremde Wörter (vgl. z.B. "Insignienkommunikator" S. 9, "Diskussegment" S. 22 oder "Galaxis-Klasse" S. 81), unbekannte Anglizismen (vgl. z.B. "Starbase" S. 15, "Starfleet Command"S. 53, oder "Horizon-Injektion" S. 105) und neue Rechtschreibfehler (vgl. z.B. "Förderations-Ingenieure" S. 25, "Sie haben fast einen Monat in Starbase 10 gewartet, […]" S. 63 oder "darn" S. 210) beinhaltet.
Der Verlag dringt dabei in grammatische Untiefen vor, die kaum ein Mensch zuvor für möglich gehalten hat:
Wie oft kann man den fürchterlichen Begriff "desaktivieren" wohl verwenden (Antwort: sechs Mal; z.B. S. 32, S. 130 oder S. 274)?
Wie viele Wörter lassen sich möglichst unsinnig mit dem Präfix "Medo-" kombinieren (Antwort: zehn Kombinationen; z.B. "-Jacke" S. 8, "-Akte" S. 91 oder "-Block" S. 202?
Und kann man Picards "Engaged!" noch langweiliger als mit "Energie!" übersetzen (Ja! mit "Transit." S. 167)?
In einem ist die Arbeit Andreas Brandhorsts allerdings ihrer Zeit voraus:
Obwohl dieses Buch erst 1990 erschien, wendet es bereits Schreibweisen an, die erst mit der Rechtschreibreform aus dem Jahr 1996. So erscheinen Begriffe wie "Cousine" oder "Holographie" in vorauseilendem Gehorsam bereits in diesem Werk als "Kusine" (S. 34) oder "Holografie" (S. 218).

Anachronismen: Eine Geschichte wie des Rattenfängers von Hameln in die ferne Zukunft zu transportieren, ist keine leichte Aufgabe. Doch dieses Buch legt sich selbst Steine in den Weg, in dem es auf Begrifflichkeiten zurückgreift, die schon heute nach finsterem Mittelalter klingen. Eine Zukunft für die man "Blätter des Ausdrucks" (vgl. S. 73), ein "Kassette" (vgl. S. 127) oder gar ein "Druckerterminal" (vgl. S. 188) benötigt, entzieht sich meiner Vorstellung des 'unentdeckten Landes' bereits. Schon erstaunlich, wie sich dieses Bild von den ausgehenden Achtzigern bis heute gewandelt hat.
Während für diesen Wandel der Zukunftsrezeption allerdings niemand ernsthaft verantwortlich gemacht werden kann, gibt es einige Widersprüche zum offiziellen Kanon, die bereits mit einem genaueren Blick auf die damals laufende erste Staffel hätten verhindert werden können.
So sollte eine Besatzungsstärke von sechsundvierzig bei einem Schiff der Constellation-Klasse eigentlich keine größere Verwunderung bei Picard auslösen (vgl. S. 40 und S. 47), dessen Bereitschaftsraum-Maskottchen Livingston übrigens auch kein "Löwenfisch" (S. 65), sondern ein Rotfeuerfisch ist.
Außerdem konnte der aufmerksame Zuschauer gleich in der dritten Episode "Der Wächter" den Erstkontakt der Föderation mit den Ferengi miterleben, weswegen es merkwürdig anmutet, dass diese Spezies bereits fünfzehn Jahre vor dieser Folge menschliche Sklaven an die Sternenflotte veräußert haben soll (vgl. S. 76). Vom Gebrauch längst überholter Geldmittel (vgl. S. 64) will ich an dieser Stelle gar nicht erst anfangen.
Allein dass Beverly Crusher auf einer landwirtschaftlichen Kolonie geboren sein soll (vgl. S. 283) wurde erst in "Mission ohne Gedächtnis" widerlegt. Laut den Angaben aus der fünften Staffel stammt die Chefärztin nämlich vom Mond.
Die Anachronismen halten sich eigentlich in Grenzen, weswegen es schade ist, dass "Die Kinder von Hamlin" sich die größten Stolpersteine selbst in den Weg legt.
So wirkt es schlichtweg unglaubwürdig, dass ein simpler Code aus sieben Ziffern genügt, um das gesamte Logbuch eines Captains einzusehen (vgl. S. 132). Zudem wird überhaupt nicht darauf eingegangen, dass in der flüssigen Atmosphäre eines Choraii-Schiffes Musik völlig anders als etwa auf der Brücke eines Sternenflottenschiffes klingen müsste (vgl. z.B. S. 132ff., S. 151 oder S. 160). Ferner fehlt es an einer Erklärung, warum die USS Enterprise - an einer Sternenbasis angedockt – die mürrischen Landeier aus Neu Oregonia mit Shuttles an Bord bringen musste (vgl. S. 192). Hat es ihr ebenfalls (für ein Roddenberry-Universum) reichlich anachronistisch anmutende Glaube (vgl. S. 233) ihnen verboten, heidnische Luftschleusen zu benutzen?

Fazit: Für ein so frühes Buch bietet "Die Kinder von Hamlin" erstaunlich hochwertige Unterhaltung. Die Charaktere treffen den Ton, die Handlung ist abwechslungsreich und mit den wirklich fremdartigen Volk der Choraii gelang der Autorin trotz Zeitdruck ein wirklich großer Wurf.
Der allzu offensichtliche Umgang mit der Thematik "Rattenfänger von Hameln", die schwache Übersetzung und vor allem die Logiklöcher, die Carter selbst in ihr Werk riss, mindern die Harmonie dieses Buches etwas. Dennoch bleibt es gerade im Hinblick auf seine Entstehungszeit ein überraschend angenehmer Höhepunkt unter den Frühwerken der TNG-Literatur.

Denkwürdige Zitate:

"Merde."
Jean-Luc Picard, S. 31

"Verschwenden Sie Ihr Glück nicht an uns. Behalten Sie es, Captain Picard. Sie brauchen es sicher dringender als wir."
Commander D'Amelio, S. 70

"Wenn man die Zeit hat, ein Projekt zu einem guten Abschluss zu bringen, so kann man sich ebenso gut die Mühe geben, Großartiges zu leisten."
William T. Riker, S. 102

"Manchmal ist die Verpackung wichtiger als der Inhalt."
Riker, S. 108

"Ich bin nicht gekommen, um zu arbeiten."
Wesley Crusher, S. 177

Bewertung: Eine Vier-Sterne-Melodie.

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Dienstag, 16. Juli 2013

Starfleet Academy 01: Die Delta-Anomalie

Bucbesprechung Barba, Rick; Starfleet Academy. Bd. I. Die Delta-Anomalie. Cross Cult, 2010/2013.

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Story: Ein Serienmörder treibt in San Francisco sein Unwesen. Nur mit Müh' und Not gelingt es dem Kadetten James Tiberius Kirk seine orionische Akademie-Mitschülerin Gaila aus den Klauen des fremdartigen Triebtäters zu befreien.
Doch viele Mysterien umgeben den Fall. So sprach das maskierte Wesen mit einem der Kadetten in einer unbekannten Sprache. Merkwürdige Rußrückstände verblieben auf den Opfern des unbarmherzigen Verbrechers. Und der Killer kennt den Namen eines besonders ehrgeizigen und unangepassten Offiziers-Azubis.
Erst als Jim Kirk, Leonard McCoy und Nyota Uhura miteinander arbeiten und ihre Fähigkeiten kombinieren, gelingt es ihnen, dem wahren Schuldigen auf die Schliche zu kommen. Doch dieser hat nicht nur eine verdammt lange Reise hinter sich, sondern verfügt auch über das Potential, die gesamte Bevölkerung der Erde auszulöschen...

Lobenswerte Aspekte: Die Spatzen pfiffen es bereits von den Dächern: Die Bücher der "Starfleet Kadetten"-Reihe richten sich an eine komplett neue Lesergeneration. Eine junge, dynamische und kaufkräftige Verbraucherschicht, deren Zugang zur Franchise die 'frischen, unverbrauchten' Filme J.J. Abrams sein sollten und deren Identifikationsfläche eher auf die jugendlichen Gesichter der von Chris Pine, Zachary Quinto oder Zoe Saldana dargestellten Charaktere abzielte, als auf die außer Mode geratenen Knittervisagen William Shatners, Leonard Nimoys oder Nichelle Nichols'. Dabei steht allerdings die Frage im Raum, ob die Reihe "Starfleet Academy" dabei das zweifelhafte Erbe der am Anspruch gescheiterten "Starfleet Kadetten"-Serie antritt, oder die Chance nutzt, um auf den Ruinen des 'Star Treks der Väter' wie ein Phönix aus der Asche zu steigen.



Natürlich bleibt der elfte Film dabei Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, zumal die Handlung dieses Werkes mitten in der im Film beschriebenen Ereignisse angesetzt wurde. Immer wieder werfen die dortigen Ereignisse ihren Schatten auf den Inhalt des Buches und versuchen, eine Brücke zwischen den unbeschwerten Akademie-Zeiten und der Übernahme des Kommandos über die USS Enterprise zu schlagen (vgl. z.B. S. 14, S. 17 oder S. 67ff.).
Doch dabei werden nicht nur die offiziellen Kanäle bemüht. Selbst aus dem ursprünglichen Material herausgeschnittene Szenen fanden Berücksichtigung (vgl. S. 139). Zusätzlich war sich der begabte Autor Rick Barba auch nicht zu schade, reichlich Querbezüge auf das etablierte 'alte' Universum einzuflechten: So gehört zu Kirks Akademie-Kameraden ein Tellarit (vgl. S. 13), man stürzt gemeinsam andorianisches Ale die trockenen Kehlen hinunter (vgl. S. 14) und selbst die gute, alte 'siebenundvierzig' findet in diesem Werk eine angemessene Erwähnung (vgl. S. 208). Der gekonnte Exkurs zur Gründungsgeschichte der Föderation unterstreicht sogar eher die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Zeitlinien, als die Unterschiede herauszukehren (vgl. S. 81).
Darin zumindest ähnelt das Werk einigen der hinlänglich bekannten Kadetten-Romanen. Als Jugendlicher kann man sich außerdem auch hier ein Beispiel an der atemberaubenden Flirt-Technik eines jugendlichen Leinwandhelden nehmen (vgl. S. 71ff.), den Prüfungsalltag der Sternenflottenakademie mit dem eigenen Bildungsweg vergleichen (vgl. z.B. S. 33ff., S. 50ff. oder S. 211ff.) und die Wohnheimatmosphäre der Nachwuchsoffiziere den eigenen Internatserlebnissen anpassen (vgl. S. 112ff.).
Davon abgesehen bietet sich allerdings nur wenig Schnittmenge mit den "Kadetten"-Büchern. Das Tempo ist ungleich rasanter, hier (vgl. S.  56ff.) und dort (vgl. S. 223) sind tatsächlich Todesopfer zu beklagen und der fesselnde Kriminalcharakter der Erzählung bietet mehr Spannung, als die Prequel-Groschenheftchen der Neunziger es jemals erreicht haben. Das Zielpublikum dieser Reihe ließe sich eher im höheren Teenager-Alter ansetzen und selbst als älterer Leser muss man neidlos anerkennen, dass der frische Wind durchaus junge und alte Leser anspricht.
Schließlich muss man dem Autor auch noch eine erschreckend gute Ortskenntnis in San Francisco bescheinigen. Immer wieder demonstriert der aus dem Mittleren Westen stammende Barba ein Detailswissen über die Westküstenmetropole, das über das bloße Studium von Stadtplänen hinausgeht (vgl. z.B. S.12ff, S. 70f. oder S. 87ff.). Nicht zuletzt deshalb verleiht er der gesamten Geschichte eine erstaunliche Glaubwürdigkeit, so dass man ihm noch nicht einmal verdenken kann, dass gegen Ende unerfahrenen Kadetten bei der Festsetzung eines Mörders der Vorzug gegenüber trainierten Polizeibeamten gegeben wird (vgl. S. 222ff.).

Kritikwürdige Aspekte: Auch wenn sich alle Seiten eifrig Mühe gaben, die "Starfleet Academy" trendgerecht aufzupolieren, gelang es nicht, den wahren Charakter dieses Werkes zu verschleiern.
"Die Delta-Anomalie" ist und bleibt ein Roman für Jugendliche, der sich nicht durch den Inhalt, sondern in erster Linie über die Verpackung zu verkaufen gedenkt.
Das nimmt seinen Anfang bereits im fürchterlich hässlichen, aber modern anmutenden Photoshop-Cover. Sobald man das Buch aufschlägt, wird es noch schlimmer, denn die Schrift ist so groß, dass es sogar Rentnern das Lesen ohne Sehhilfe ermöglicht und im selben Atemzug verschleiert, wie wenig Text da auf insgesamt 246 Seiten gestreckt wurde. Wahrscheinlich versucht man auf die Weise, die vermeintlich lesefaule Zielgruppe der schwer pubertierenden Popcorn-Kinogänger nicht durch einen allzu zu großen Aufwand abzuschrecken, während man gleichzeitig die Illusion aufrecht erhält, am Ende über zweihundert Seiten geschafft zu haben. Im Vergleich zu den "Starfleet Kadetten", war Heyne immerhin ehrlich genug, die Schriftgröße seiner Kinderbuchserie auf einem Normallevel zu halten und den Papierverbrauch auf ein Minimum zu beschränken.
Seine Fortsetzung findet dieses Motiv in den Charakteren. Die lassen sich ohne allzu große Schwierigkeiten erfassen, da sie weder sonderlich komplex, tief schürfend oder gar philosophisch anmuten. Kirk und Co. ähneln oberflächlichen Schuljungen, die sich nicht allzu lang an langweiligen Nachdenk-Themen wie der Obersten Direktive aufhalten (vgl. S. 76). Statt dessen dreht sich alles um erste Beziehungen, schlechte Aprilscherze und unsinnige Prüfungen, deren Nachvollziehbarkeit man wohl besser den altersweisen Erwachsenen überlässt.
Schwerer wiegt allerdings, dass Rick Barba eigenmächtig in fremden Jagdgründen wildert. So bedient er sich schamlos des Delta-Quadranten (vgl. z.B. S. 12ff., S. 153ff. oder S. 182ff.). In Ermangelung vorzeigbarer Androiden muss sogar der Computer als offensichtlicher Data-Ersatz herhalten (vgl. S. 109). Vor allem aber wird ein Gegner aus der Mottenkiste herausgekramt, der in dieser Epoche so wirklich gar nichts zu suchen hat: Die Borg (S.153ff.).
Als ob der Bezug auf den übermächtigen Feind nicht schon unglaubwürdig genug wäre, unterstellt Barba ihnen auch noch die Dummheit, einen eindeutigen Absender auf den Naniten zu platzieren (vgl. S. 152). Und würden sich Borg-Naniten allen Ernstes erfolgreich mit einem Staubsauger bekämpfen lassen (vgl. S. 216), so muss man sich schon fragen, warum man sich die Destiny-Trilogie überhaupt durchlesen sollte!
All das wirkt schlichtweg heillos an den Haaren herbeigezogen - besonders am Ende, in dem die Borg trotz deutlicher Überlegenheit von ihrem todgeweihten Opfer ablassen, um in Richtung Heimat zu entschwinden, weil die Menschen noch weiter untersucht werden müssen (vgl. S. 234f.).
Im Endeffekt erinnert die Handlung deutlich an die Enterprise-Episode "Regeneration". Allerdings bleibt sie im Gegensatz zu diesem Vorbild völlig belanglos und verpasst es, sich glaubhaft in einen größeren Rahmen einzufügen. Die Borg-Präsenz dieses Buches mutet so unnötig, unglaubwürdig und unangebracht an, dass sich der Eindruck verstärkt, dieses Universum würde sich lediglich die aufmerksamkeitswirksamsten Rosinen herauspicken, ohne auf Werte wie innere Logik, Nachvollziehbarkeit oder gar einen offiziellen Kanon Rücksicht zu nehmen.

Übersetzung: Wo viel gehobelt wird, da fallen auch besonders viele Späne. Zum Glück für die Übersetzerin Stephanie Pannen ist dieses Buch in puncto Umfang mehr Schein als Sein.
So fallen vergessene Fragezeichen wenig auf (vgl. S. 100) und auch die Verwendung von "Ohrhörer" (vgl. S. 83) statt 'Kopfhörer' wirkt vergleichsweise unspektakulär.
Der Wechsel vom Siezen zum Duzen kann in einem Nebensatz abgehandelt werden (vgl. S. 140) und auch die der deutschen Synchronisation unbekannte Verwendung des Synonyms "General Order Nummer Eins" für die "Oberste Direktive" (S. 77) fällt trotz der uneinfühlsamen Übertragung nur den Hardcore-Fans überhaupt auf.
Dabei wäre zumindest letzterer Fehler vermeindbar gewesen, wenn man zuvor die kostenfreie Memory-Alpha-Datenbank konsultiert hätte. Dort hätte man auch erfahren können, dass der hier in seiner deutschen Form unter "Beteigeuze" (S. 125) geführte Stern im Star-Trek-Universum bei seinem englischen Pendant "Betelgeuse" benannt wird und dass etwas, dass aus dem Delta-Quadranten stammt, schon allein aus dem Grund nicht als "deltanisch" (vgl. S. 184) bezeichnet wird, weil es gleich ein, zwei unterschiedliche Spezies gibt, die sich um dieses Adjektiv streiten.
Vor allem Eines rückt auch diese Reihe in eine von Heyne begründete Traditionslinie:
Obwohl es mit "Sternenflottenakademie" einen etablierten Terminus gibt, mit dem man die zentrale Ausbildungsstätte für Nachwuchsoffiziere hierzulande bezeichnet, läuft diese Bücherserie unter der Bezeichnung "Starfleet Academy". Vielleicht mag das cooler klingen und sich besser verkaufen, doch letztendlich ist es keinen Deut besser als eine Reihe mit dem Titel "Starfleet Kadetten".
Eher im Gegenteil!

Anachronismen: Für einen Roman, der bei einem jugendlichen Publikum ankommen soll, finden sich im Buch viel zu viele Begriffe, die im 23. Jahrhundert das Prädikat 'Antiquität' verdienen würden. So erinnern klingelnde Telefone (vgl. S. 52), Youtube-Videos (vgl. S. 51) oder Teppichmesser (S. 158) so stark an unsere Zeit, dass der Geist einer vermeintlich höher entwickelten Zukunft zumindest fragwürdig erscheint.
In diesem Zusammenhang steht auch die Transamerica-Pyramide. So mag es ja toll sein, wie gut sich der Autor in der Nebelhauptstadt auskennt, doch falls wirklich jemand eine Rasterkarte von ganz San Francisco erstellen möchte (vgl.S. 199), sollte er dafür besser eines der vielen Gebäude nutzen, die eine größere Höhe als das veraltete 'Hochhäuschen' erreichen (vgl. S. 148).
Daneben gibt es eine ganze Reihe an Ungereimtheiten, die ihrer Zeit unsinnigerweise voraus sind. So mutet der Gebrauch von so perfekt funktionierenden Holodecks mehr als hundert Jahre vor der 'Next Generation' zumindest merkwürdig an (vgl. S. 132 oder S. 138). Genauso unerklärlich bleibt, woher Kirk das Volk Ferengi kennen mag (vgl. S. 71), obwohl erst Jean-Luc Picard den Erstkontakt zu dieser Spezies herstellte.
Ähnlich verwirrend verhält es sich mit der Beförderungspolitik der Sternenflotte auf dieser Seite der Realität. Obgleich sie bereits im elften Kinofilm lächerlich rasch einen Kadetten zum Captain eines eigenen Raumschiffes machte, fand genau dieses Muster hier – aller Häme zum Trotz - seine unmittelbare Fortsetzung. So kann man schwarz auf weiß nachlesen, dass der Halbvulkanier Spock zwar erst vor einem Jahr die Akademie verließ (vgl. S. 129), jedoch schon längst den Rang eines Commanders bekleidet (vgl. S. 108).
Am betrüblichsten stimmt allerdings der offene Bruch mit den Idealen des Star-Trek-Urvaters Gene Roddenberry. Hatte Star Trek bis dato noch eine gesellschaftliche Utopie verkörpert, in dem die Erde traditionellen Lastern wie der Geldwirtschaft oder der Kriminalität abgeschworen hatte, liest man in dieser alternativen Zeitlinie vom fortwährenden Gebrauch von Geld (vgl. S. 20, S. 83, S. 98, S. 136), aber auch vom Fortbestand US-amerikanischer Gangs (vgl. S. 157). Diesem unverdienten Wandel zur Dystopie folgte Barba, obwohl laut der Voyager-Folge "Das ungewisse Dunkel, Teil I" der gesellschaftliche Wendepunkt der Menschheit auch das Abrams-Universum betreffen sollte...

Fazit: Ein wirklicher Neustart gelingt mit diesem ersten eigenständigen, auf der alternativen Zeitlinie basierenden Buch nicht. Obgleich Autor Rick Barba mit seinem Stil, seinem Tempo und seinen Querbezügen zum elften Kinofilm punkten kann,verliert sich der Auftakt darin, die Resteküche vorangegangener Star-Trek-Serien aufzuwärmen, anstatt zum ersten Mal mit einer eigenen Geschichte Akzente zu setzen. Zwar bleibt Barba mit dieser Copy/Paste-Masche dem Abramsverse treu, doch während er sich munter bei den verschiedenen Franchise-Vorfahren bedient, unterlaufen ihm so viele offensichtliche Fehler, dass es schon einer unvoreingenommen und vor allem unwissenden Leserschaft bedarf, um darüber hinwegzusehen.
Immerhin liest sich das Buch schnell weg, womit sich die Leidenszeit in Grenzen hält.

Denkwürdige Zitate:

"Meine Güte, Jim, ich bin Arzt, kein Babysitter."
Leonard McCoy, S. 22

"Lehrerliebling."
James Kirk zu Uhura, S. 61

"Ich meine, das Weltall ist kein Ponyhof, es geht um Leben und Tod."
Hannah, S. 141

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Bewertung: Schwacher Neustart mit Spannungsspitzen.

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Samstag, 13. Juli 2013

Nullsummenspiel

Buchbesprechung: Mack, David: Nullsummenspiel. Cross Cult, 2010/ 2013.

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Story: Als eine alte Flamme auftaucht, lässt sich der Stationsarzt und genetisch aufpolierte Sternenflottenaugment Julian Bashir dazu überreden, an einem geheimdienstlichen Sondereinsatz der besonderen Art mitzuwirken. Zusammen mit der von ihm kurierten Sarina Douglas bricht Bashir in das Territorium der mysteriösen Breen auf, um die Jungfernfahrt eines im Bau befindlichen Slipstream-Prototyps zu sabotieren.
Der Typhon-Pakt setzt alle Hoffnungen auf die neuartige Technologie, die man dem Erzrivalen entwendet hatte, um militärisch mit der Sternenflotte auf Augenhöhe agieren zu können. Also bahnen sich Douglas und Bashir ihren Weg durch die fremde Welt, stellen unerwarteten Kontakt zu einer Widerstandsbewegung her und sammeln wertvolle Informationen über den fremdartigen Gegner. Doch den beiden Menschen, die tief im Feindesland operieren, rennt nicht nur allmählich die Zeit davon. Längst hat der Geheimdienst die Witterung der beiden Eindringlinge aufgenommen und schafft es sogar, einem von beiden habhaft zu werden...

Lobenswerte Aspekte: Destiny Reoladed! Lange hat der deutschsprachige Leser warten müssen: Als am Ende des letzten Destiny-Bandes "Verlorene Seelen" der Typhon-Pakt als Gegenpol zur krebsgleich wucherndern Föderationsgeschwür begründet wurde, versprach dieser Umstand neues Leben für die angestaubte Bücherwelt, die sich ja durch die Auslöschung der Borg einem der spannendsten Gegner selbst entledigt hatte. Denn aus dem überraschenden Zusammenschluss von so unterschiedlichen Bündnispartnern ergab sich ein großes Potential.
Zum Einen versprechen die illustren Bundesgenossen durch ihre Divergenz bereits ein Maximum an Unterhaltung. Die hinterlistigen Romulaner im selben Raum mit den grobschlächtigen Gorn, den fanatischen Kinshaya, den zickigen Tholianern, den paranoiden Breen und den unberechenbaren Tzenkethi: Das allein klingt ja eigentlich schon wie die Einleitung eines Herrenklowitzes des vierundzwanzigsten Jahrhunderts.
Dabei könnten allein die Probleme in der Zusammenarbeit von so unterschiedlichen Fraktionen bereits einen eigenen Roman füllen. Als Gegenentwurf zur oft schon zu klinisch rein anmutenden Föderationswelt führt es auf seine eigene Weise die Vision Gene Roddenberrys über ein Universum fort, in dem dessen Bewohner ihre Differenzen überwinden und zusammenarbeiten. Damit hält man den mittlerweile etwas verkrusteten Strukturen der Menschen eine Spiegel vor, der durchaus seinen Reiz hat.
Zum Anderen hat die Sternenflotte durch diese Allianz, die getreu dem Motto "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" (der Kirk der alternativen Zeitlinie lässt grüßen) beinahe schon logischerweise zueinander fand, endlich wieder einen ernst zu nehmenden Gegner auf militärischen Gebiet. So traurig das auch sein mag, aber Destiny lebte weniger vom Forschungsgeist seiner Charaktere, sondern viel mehr von der Spannung, die der totale Krieg gegen die Borg auslöste. Nun, da die Cardassianer am Boden liegen, die Klingonen mit den Menschen alliiert sind, das Dominion im Dornröschen-Schlaf zu verbleiben scheint und auch die Romulaner durch die Hobus-Supernova keine ernsthafte Bedrohung mehr darstellen, wurde Star-Trek-Star-Autor David Mack also vor der eigenen Haustür fündig und pferchte einfach die verbliebenden Mittelmächte des Alpha- und Betaquadranten zu einer gemeinsamen Supermacht zusammen.
Damit allein vermag dieses Buch aber noch keinen Blumentopf zu gewinnen. Auch wenn Destiny sich eigentlich um den heuschreckenartigen Borgeinfall drehte, gab es einen Aspekt, der die Trilogie zu etwas Besonderem machte: Die Caeliar.
Mack schaffte es, ein schwammiges Konzept aus der Science-Fiction-Schublade zu holen, daran herumzuschrauben und es auf Hochglanz poliert als spannendes Storyelement zu platzieren. Damit statuierte aber nicht nur ein eindrucksvolles Exempel großartiger Science Fiction, sondern setzte auch die Messlatte für künftige Romane hoch an.
Sollte es ihm noch einmal gelingen, ein ähnlich beeindruckendes Kaninchen aus dem Hut zu zaubern?
Tatsächlich gelang ihm genau das!
Deklariert man das Volk der Caliar der heimliche Höhepunkt der Destiny-Reihe, so kann man mit Fug und Recht Macks Breen-Konzeption als Krönung dieses Buches bezeichnen. Trotz der sporadischen und häufig auch widersprüchlichen Informationen zu dieser Spezies innerhalb der Serien und Filme gelang es Mack, die Breen glaubhaft und vor allem völlig dem Kanon entsprechend als multikulturelles Volk mit Konformitätsneurose darzustellen. Durch seine Erklärungen ergeben die bisherigen Darstellungen, verschiedenen Auftritte und sogar vermeintlichen Anachronismen plötzlich einen Sinn. Mack setzt die losen Informationen wie Puzzleteile passgerecht zusammen, während man als Leser mit schier fassungslosem Erstaunen feststellen muss, wie nahtlos seine Interpretation sogar die weit klaffenden Lücken des offiziellen Kanons schließt (vgl. z.B. S. 47ff.).
Bei aller Fremdartigkeit erkennt man in der Breen-Gesellschaft aber auch immer wieder Muster, die problemlos aus dem Leben normaler Menschen unserer Tage stammen könnten. Dazu zählen Dissidenten-Bewegungen (vgl. S. 181ff.) genauso wie spießig möblierte Neubaublockwohnungen (vgl. S. 158), aber auch auffällige Parallelen zur Online-Überwachung von Personen durch Google, NSA oder britischem Geheimdienst (vgl. z.B. S. 199ff.). Doch das lüftet in meinen Augen weniger den Schleier des Geheimnisvollen, der die Breen innerhalb der Franchise stets umgab, sondern bietet genau das, was gute Science-Fiction-Literatur ausmachen sollte: Die Abstraktion der Gegenwart durch einen Blick in die Zukunft. Insofern ist es nur folgerichtig, dass sich der Typhon-Pakt sogar klanglich an den "Warschauer Pakt" anlehnt und gleich mehr als einmal von einem "Kalten Krieg" (vgl. z.B. S. 16, S. 188 oder S. 301) gesprochen wird. Ohne große Umwege wird die Politik des "Gleichgewicht des Schreckens" kritisch beleuchtet, der die Erde bereits im zwanzigsten Jahrhundert an den Rand der Zerstörung geführt hatte.
Das bleibt allerdings nicht der einzige nachdenkliche Moment der größtenteils von explosiver Action bestimmten Handlung. Bemerkenswert bleibt Doktor Julian Bashirs Wandlung vom ethisch integeren Mediziner zum mordenden Geheimagenten, die sich im Rahmen der Story langsam entwickelt. Fast könnte man meinen, dass Bashirs Augment-Zugehörigkeit die Kontrolle übernimmt und sich der Stationsarzt in einen Khan-Derivat verwandelt, der selbst den Standards des letzten Kinofilms "Into Darkness" genügen würde. Oder deutet seine plötzliche Neigung zu Bärten (vgl. S. 31) eher in Richtung Spiegeluniversum?
Ansonsten lebt das Buch in erster Linie vom beeindruckenden Schreibgeschick seines Autoren. David Mack lässt wie gewohnt Informationen von der Mattscheibe (vgl. z.B. S. 43ff., S. 93, S. 374ff. uvm.) und der Bücherwelt (vgl. z.B. S. 14fff., S. 29f., S. 36 uvm.) einfließen, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt. Bashir wird sogar mit Attributen belegt, die auf Siddig El-Fadils Rolle in "Vertical Limit" verweisen (vgl. S. 259f.). Das alles geschieht, ohne dass der Roman an Tempo, Spannung oder Erzählfluss verlieren würde, so dass der Leser von den Ereignisse mitgerissen wird, bis er erschrocken auf der letzten Seite angelangt ist.

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Kritikwürdige Aspekte: Destiny reloaded? Mitnichten!
Der Typhon Pakt ist nicht Destiny. Kann er auch gar nicht sein, denn den mitreißenden Ton einer unabwendbaren Apokalypse trifft dieses eher politische Thema nachvollziehbarerweise nie. "Nullsummenspiel" ist eben kein Auftakt für eine neue Trilogie, sondern viel eher der Einstiegsband in eine neue Erzählära, in der sich verschiedene Autoren der Fortführung der Grundidee einer neuen Bedrohung widmen.
Dass man sich für den Auftakt die Mitarbeit des Vorzeige-Schreibers David Mack sicherte, erscheint besonders im Himblick auf den Erfolg der Destiny-Reihe nicht weiter verwundertlich, doch zu oft blitzt der Verdacht auf, dass der Stareinkauf mit diesem Werk nur Dienst nach Vorschrift ableistet, statt wirklich Herzblut in die Sache zu legen.
Seinen Anfang nimmt dieser schleichende Eindruck in der erstaunlichen Anzahl an Zufällen, die den Charakteren immer wieder in die Hände spielen. Im Einsatz fällt Bashir etwa ein, dass er zum Glück auf der USS Aventine die Zeit gefunden hatte, den adäquaten Umgang mit einem Bolzenschussgerät zu erlernen (vgl. S. 292). Zum Glück fällt Bashir an der Außenhülle eines Frachters versteckt auf, dass sein Untersatz Schildsysteme zum Schutz vor atmossphärischer Reibung einsetzt (vgl. S. 282). Und zum Glück ähneln die Konsolen auf einem Breen-Arbeitsvehikel denen von Sternenflottengefährten so sehr, dass Bashir bei der Bedienung keine Steine in den Weg gelegt werden (vgl.S. 324)
Als ob solche ständig auftretenden Glücksfälle noch nicht bemüht genug wirken würde, geht vieles in diesem Buch erstaunlich einfach: Die Infiltration einer völlig unbekannten Kultur, der rasch hergestellte Kontakt mit einer lokalen Dissidenten-Filiale oder die Sabotage einer Top-Secret-Hochsicherheitsanlage.
Beinahe scheint es, als ob Mack lediglich bei der Grob-Gestaltung des Breen-Entwurfs mit der notwendigen Sorgfalt vorging und die Lücken in der Handlung mit der Zweitverwertung von bekanntem Rohmaterial ausfüllte. So ist die Mitnahme von getarnter klingonischer Verstärkung (vgl. S. 173) seit "Der Überläufer" ein ebenso alter Hut wie an "1984" angelehnte Folterszenen (vgl. S. 277ff. oder S. 285ff.) seit "Geheime Mission auf Celtris III, Teil II". Auch dass Bashir nach seinen Agentenabenteuern in "Der Abgrund" schon wieder nach der Lizenz zum Töten greift (vgl. z.B. S. 37, S. 55 oder S. 77f), vermag es nicht, auch nur einen Fenrisal hinter dem Ofen vorzulocken.
So kann man auch auch dem finalen 'Cliffhanger', der mit der Sektion 31 ein weiteres hinlänglich bekanntes Element ins Spiel bringt, keine allzu große Originalität unterstellen. Im Endeffekt ist das Buch nur eine gute Idee in einer halbleeren Kiste, die mit viel Banalität großzügig ausgestopft wurde.
Diese Mittelmäßigkeit findet in den 'Essays' seine Fortsetzung, die aus der Feder Christian Humbergs stammen. Sie verraten wenig bis gar nichts, was man nicht schon zuvor erfahren konnte und lesen sich wie bessere Werbetexte. Vorbei scheinen die Zeiten, als sich Cross Cult noch mit klugen Analysen, detaillierten Centerfolds oder spannenden Interviews als besonders Fan-orientiert profilierte.
Doch zurück zum Buch. Sein allergrößtes Manko liegt in meinen Augen in den flachen Charakteren. Abgesehen von Bashir wirken angefangen bei Ezri Dax über Chot Nar bis hin zu Thot Keer sämtliche Figuren hölzern, oberflächlich und wie ein Mittel zum Zweck. Ihre Motive und Beweggründe bleiben größtenteils im Dunklen und selbst wenn einmal ein Fünkchen Lebensnähe aufkeimt, wirkt es sofort gekünstelt und gestellt. Selbst Sarina Douglas vermag es trotz des vielen Raumes nicht, nennenswerte Charakterszenen auf sich zu vereinen. Viel eher bestimmt explosions- und schießwütige Action die Story, während die zwischenmenschlichen (oder zwischenbreenige) Momente in den Hintergrund geraten. Es erinnert eher an einen Star-Trek-Film aus dem Abramsverse, als an eine Folge TNG oder Deep Space Nine.

Übersetzung: Exemplarisch für die Übersetzungsleistung in diesem Buch soll einmal dieser Satz von Seite 55 herhalten:

"Ich werde mit dir oder ohne dich nach Salavat gehen […]."

Wohl sicher nicht von ungefähr erinnert diese Formulierung an die hyperkorrekte Verwendung von "Mit dem oder ohne den Rest der Flotte?" im zehnten Kinofilm. Kerstin Fricke liefert wirklich gute Arbeit ab, auch wenn ich mir an der einen (vgl. S. 190) oder anderen Stelle (vgl. S. 200) ein "dass" anstelle des dortigen "damit" gewünscht hätte. Aber abgesehen von der englisch belassenen Kombination "Tzenkethi-Harrier" (vgl. S. 213) gibt es kaum was zu mäkeln. Wenn das zum neuen Standard bei Cross Cult wird, werde ich wohl in Zukunft wieder auf diesen Unterpunkt in meinen Rezensionen verzichten müssen...

Anachronismen: Unpassender als mit einem Chamberlain-Zitat (vgl. S. 7) hätte man das Buch, in dem die Föderation weniger passiv wirkt als in ihrer gesamten Serien- und Filmgeschichte, nicht starten können. Ausgerechnet die Galionsfigur der britischen Appeasement-Politik im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges zu bemühen, war aber wohl eher dem ebenso eigensinnigen wie sympathischen Humor David Macks geschuldet.
Obgleich seine Breen-Interpretation meines Erachtens vergleichsweise wasserdicht ist, gibt es einige Haarrisse.
So mutet der Arbeitskräftemangel, über den sich Thot Keer beschwert (vgl. S. 231ff.), etwas merkwürdig an, da die Breen laut "Indiskretionen" kein Problem damit haben, auf Sklavenarbeit zurückzugreifen. Trotz dieses Umstands werden die unfreiwilligen Hilfskräfte - trotz mannigfaltiger Möglichkeiten – auf keiner Seite erwähnt.
Ferner störte mich ein klein wenig, dass sich die multiethnischen Breen schließlich als eine Art Föderation im Kleinformat entpuppen und als solche Teil einer neuartigen Föderation sind, die der etablierten Föderation das Fürchten lehren soll. Bei so vielen Föderationen sind Identifikationskrisen wohl schon vorprogrammiert...

Fazit: David Mack entführt seine Leser in neue Welten, zeigt ihnen unbekannte Lebensformen und nimmt sie mit dorthin, wo nie ein Leser zuvor gewesen ist. Die Gesellschaft der Breen ist der unbestreitbare Höhepunkt des Buches, hinter dem Handlung, Charaktere und Originalität unweigerlich ins zweite Glied rücken.
Ohne Frage ist "Nullsummenspiel" spannend geschrieben, temporeich erzählt und fesselnd verpackt, doch im Vergleich ist es eher ein schwächeres Werk aus der Feder des Star-Trek-Star-Autoren. Aber selbst schwächere Bücher Macks sind immer noch im oberen Mittelfeld anzusiedeln und wer mit einem Action-Spektakel und nur wenigen Denkanstößen leben kann, wird Gefallen am Typhon-Pakt-Auftakt finden.

Denkwürdige Zitate:

"Erobern, desinfizieren, homogenisieren. Das ist die Art der Sternenflotte."
Julian Bashir, S. 36

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"Alles, was ich je wollte, war, großartige Raumschiffe zu bauen. Wenn ich gewisst hätte, dass ich es dabei mit Politikern zu tun bekomme, wäre ich Koch geworden."
Thot Keer, S. 63

"Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sage... aber wir leben in unsicheren Zeiten, Frau Präsidentin."
K'mtok, S. 211

Bewertung: Ein Breen macht noch lange keinen Winter.

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Weiterführende Leseliste:

Typhon Pact 01: Nullsummenspiel
Typhon Pact 02: Feuer

Dienstag, 9. Juli 2013

Gespensterschiff

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Buchbesprechung Carey, Diane: Gespensterschiff. Heyne, 1987/1990.

Story: Schwarzes Meer, 1995. Der sowjetische Superflugzeugträger "Gorschkow" pflügt sich majestätisch seinen Weg durch die sauerstoffarmen Wellen des Schwarzen Meeres. Das atombetriebene Schiff repräsentiert den gesamten maritimen Stolz der Großen Vaterländischen Seestreitkräfte. Kein Wunder, denn mit an Bord befindet sich ein hypermoderner Pulsator, der feindlichen, westlichen Raketensystemen im Null-Komma-Nix den Garaus machen kann.
Doch just in dem Moment, in dem Captain Reykow und sein erster Offizier Vasska die neue Wunderwaffe zur Erbauung der mitgereisten Funktionäre ausprobieren, kommt ein riesiges fremdes Wesen auf sie zu. Ehe die beiden Männer überhaupt reagieren können, zerstört es das Schiff, tötet alles Leben an Bord und saugt die Seelen der sterbenden Crew in sich auf. Über dreihundert Jahre fristet die Crew, eingesperrt in ein einsames Gefängnis, eine qualvolle Existenz, bis das mächtige Wesen einen neuen Gegner ins Visier nimmt: Ein frisch eingeweihtes Raumschiff mit der Bezeichnung USS Enterprise NCC-1701-D. Reykow selbst erscheint als körperlose Emanation auf dem fremden Kreuzer, um die frisch zusammengewürfelte Crew zu ermutigen, den Kampf gegen das Wesen aufzunehmen. Doch obwohl die unbekannte Besatzung sogar einen telepatischen Counselor in ihren Reihen hat, gelingt es ihr nicht so recht, zu verstehen, was Reykow und seine gepeinigten Genossen von ihnen wollen.
Wird es dem fremden Captain Jean-Luc Picard gelingen, sie aus ihrem Verlies zu befreien und sie von ihrer grausamen, körperlosen Existenz zu befreien?

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Auf der Suche nach ewigem Frieden für die toten Überlebenden


Lobenswerte Aspekte: "Gespensterschiff" schlägt eine Brücke in eine spannende Phase der Erdgeschichte, die an Filme wie "Jagd auf Roter Oktober", "Hot Shots" oder "Der letzte Countdown" zurückdenken lässt. Im Spannungsfeld zwischen Marine-Romantik, kaltem Krieg und Völkerfreundschaft knüpft es an eine cineastische und literarische Traditionslinie an, die sich bereits mehr als einmal als schlüssiges Verkaufsargument entpuppte.
Warum auch nicht?
In dieser Kombination steckt ja auch eine Menge Potential und nicht von Ungefähr spielt ein Flugzeugträger namens Enterprise eine gewichtige Rolle im vierten Star-Trek-Kinofilm "Zurück in die Gegenwart".
Lesenswert ist dieses Buch jedoch in erster Linie ob der kleineren Details, die biografische Lücken zu den damals frisch eingeführten Charakteren der 'nächsten Generation' schließen. So kann man beispielsweise erfahren, dass Tasha Yar über litauische Wurzeln verfügt (vgl. S. 58), erhält Kenntnis über einen unterhaltsamen dunklen Fleck in William T. Rikers Beförderungsgeschichte (S. 40f.) und stellt überrascht fest, dass Deanna Troi ihren 'Imzadi' Riker in den ersten Folgen nur deshalb 'Bill' nannte, weil sie einem tief in ihr schlummernden Ödipuskomplex anhängt (S. 235f.).
Eben jene Halbbetazoidin, die in der ersten Staffel noch einen schweren Stand bei Schreibern und Altfans hatte, geht als klare Gewinnerin aus diesem Roman hervor. Soviel Platz zur Charakterentfaltung wie in diesem ersten eigenständigen Buch der TNG-Crew hatte die Bordpsychologin jedenfalls in keiner einzigen der sechsundzwanzig Folgen der ersten Staffel. Als Höhepunkt dieses Schaulaufens muss man die ebenso gelungene wie einfühlsame Schilderung ihre Eindrücke beim Kontakt mit fremden Lebensformen bezeichnen (vgl. S. 42).
Die Autorin scheut sich auch nicht, gleich in ihrer Widmung passiv ihre eigenen Fähigkeiten ins rechte Licht zu rücken. Nicht ganz zu Unrecht, denn gerade in technischer Hinsicht könnten sich einige männliche Kollegen der Zunft durchaus eine dicke Scheibe ihrer Fachkenntnis abschneiden, denn Carey gelingt es nicht nur, in simpler Eleganz den Unterschied zwischen Passiv- und Aktiv-Sensoren zu erläutern (vgl. S. 103), sondern beschreibt auch die Besonderheiten bei einer Abtrennung der Untertassensektion während eines Warpflugs so umfassend, dass sie dabei sogar die Kohlen für die fragwürdige Darstellung im Pilotfilm "Der Mächtige" aus dem Feuer holt (vgl. S. 129).
Und wo wir gerade auf dem schmalen Grat zur Metaebene wandeln:
Für einen so frühen Roman, der in der Frühzeit der Serie anzusiedeln ist, besteht der spannendste Teil eigentlich darin, ihre geschickt verpackte Kritik an den zunächst merkwürdig anmutenden Neuerungen dieser völlig vom Original abweichenden Neuinterpretation Star Treks herauszufiltern. Ihren augenzwinkernden Bemerkungen zu den unklaren Rollen des Ersten Offiziers (vgl. S. 25) und des Counselors (vgl. S. 65) sowie der Hautfarbe Datas (vgl. S. 27) treiben selbst den hartgesottenen Next-Generation-Fans die Mundwinkel in Richtung Haupthaaransatz.

Kritikwürdige Aspekte:

Riker: "Ich!?"
Picard: Sie  haben sich zum Dienst gemeldet und Sie sind qualifiziert."
Riker: "Ja, Sir!"
Picard: "Dann tun Sie Ihren Dienst, Commander."


Klingt aggressiv, komisch und fremd?
Dabei ist das keine schlechte Fanfiction! Tatsächlich stammt dieser Wortwechsel aus der noch etwas hölzernen ersten Staffel TNGs. Also aus genau der Ära, in der auch dieser Roman angesiedelt ist. Insofern muss man wohl jenen Stimmen, die diesem Roman unterstellen, dass die Figuren im Umgang miteinander etwas ruppig anmuten, mit gebotener Vorsicht begegnen.
Aber selbst wenn man dieses Zitat aus dem Pilotfilm "Der Mächtige/ Mission Farpoint" als Vergleichswert heranzieht, bleibt festzuhalten, dass das Miteinander der Crew in diesem Buch in wirklich gar keiner Relation zu den gelegentlichen Reibungspunkten früher Folgen steht. Die Figuren und ihr Sozialverhalten sind schlichtweg nicht getroffen. Das lässt sich an ein paar Personen exemplarisch festmachen.

Jean-Luc Picard. Ich kann nicht genau sagen, welche Laus dem Kommandeur der USS Enterprise in diesem Werk über die Leber gelaufen ist, doch der charismatische Franzose wirkt viel zu häufig erschreckend zickig und cholerisch (vgl. S. 23, 34, S. 51, S. 73, S. 81f., S. 83, S. 131, S. 134). Meist geschieht das in Situationen, von denen man als 'alter Hase' genau weiß, dass sich der Captain eigentlich nie so gehen lassen würde. Dadurch verliert seine Autoritätsaura völlig an Leuchtkraft. In der einzigen Situation hingegen, in der man eine härtere Gangart erwartet, enttäuscht dieses lasche Picard-Imitat auf ganzer Linie und reagiert trotz Insubordination und Materialverlust großväterlich sanftmütig (vgl. S. 268ff.). Um die Verwirrung perfekt zu machen, legt er eine erschreckende Mordlust wie Käpitän Ahab auf der Jagd nach dem Weißen Wal an den Tag, die er sich eigentlich für den finalen Kampf gegen die Borg aufheben müsste.
Da kann man als erschrockener Leser seinem Ersten Offizier William T. Riker nur kopfnickend beipflichten, wenn er seinem Vorgesetzen in diesem Zusammenhang vorwirft: "Das klingt nicht nach Ihnen, Sir." (S. 251)

William T. Riker. Was aber nicht bedeuten soll, dass Riker auch nur ansatzweise besser getroffen wäre. Er steht seinem Kommandanten in puncto Stimmungsschwankungen in nichts nach (vgl. z.B. S. 116), verliert sich in sinnfreien Eifersuchtsszenen (vgl. S. 24f) und präsentiert sich erschreckend wehleidig (vgl. S. 25).

Data. Vielleicht sollte man eher 'Lore' sagen, denn der Androide Data entfaltet eine verdächtig breite  Emotionspalette: Von traurig (vgl. S. 116), empfindlich (vgl. S. 228), lächelnd (vgl. S. 243), freudig (vgl. S. 125) bis hin zu grinsend (S. 184) hat man die künstliche Lebensform jedenfalls vor der Aktivierung seines Emotionschips nur selten so sentimental erlebt. Hinzu kommt, dass er scheinbar sogar Schmerz empfinden kann (vgl. S. 31), für einen Androiden eine erstaunliche Tolpatschigkeit an den Tag legt (vgl. S. 201f.) und sogar ein Herz zu besitzen scheint (vgl. S. 201).
So ziemlich alles, was man über das Spitzenprodukt aus dem Hause Soong erfährt, steht im direkten Widerspruch zu den späteren Informationen der Serie. Vor allem der Status als biologische Lebensform, den Carey ihm als Höhepunkt ihres Buches verlieh, hat gar nichts mit dem beliebten Charakter zu tun, der in seinem verzweifelten Streben nach Menschlichkeit erst zum Zuschauerliebling avancierte.

Geordi LaForge. Der blinde Steuermann offenbart sich als extrem angriffslustig und streckenweise sogar persönlich angreifend gegenüber seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem ersten Offizier Riker (vgl. z.B. S. 117f., S. 216 oder S. 227ff.). Das wirkt sogar noch schlimmer und unangenehmer als in der TOS-Folge "Notlandung der Galileo Sieben" – was man tatsächlich als eine ernstzunehmende Leistung interpretieren könnte.
Hinzu kommt eine für LaForge unangemessene Ausdrucksweise, die in dem Satz "Maschine, meine Fresse." (S. 36) gipfelt.  Im englischen Original liest sich das nicht viel besser. Hier muss man sogar von "Machines, my ass." lesen. Den schüchternen und auf Ausgleich bedachten Navigator begleitet kein nennenswerter Wiedererkennungswert.

Man könnte noch weitere Beispiele aufführen, doch der Übersichtlichkeit halber sei nur erwähnt, dass Doktor Beverly Crusher zu controllfreakig (S. 62f.), Worf zu unterwürfig (S. 34f.) oder Wesley zu unselbständig (S. 76ff.) agieren. Die Psychologin Deanna Troi droht sogar mit einem Suizid, sofern die restlichen Führungsoffiziere nicht ihrer Interpretation der Ereignisse folgen (vgl. S. 208). Den fragwürdigen Höhepunkt dieser Figurenvergewaltigung bildet die Gleichsetzung Tasha Yars mit einer Disney-Prinzessin (vgl. S. 152).
Gerade durch den wahren Zickenkrieg, den sich die Besatzung in diesem Werk viel zu häufig leistet, vermag die gut gemeinte Aufopferungsbereitschaft der eher gegeneinander arbeitenden Crew im Licht solcher Umstände nicht so recht seine Wirkung zu entfalten (vgl. S. 128f.)
An dieser Stelle muss ich wohl auch mal mit einer erschreckend weit verbreiteten Legende aufräumen: An vielen Orten (wie zum Beispiel Jeff Ayers' 'Voyagers of Imagination: The Star Trek Fiction Companion') kann man lesen, dass Carey selbst zu Protokoll gab, dass sie dieses Werk geschrieben hätte, noch bevor die Schauspieler gecastet waren und die Serie überhaupt im Fernsehen anlief. Insofern müsste man viel Nachsicht walten lassen.
Wenn das stimmen würde.
Anhand von Textbelegen lässt sich jedoch beweisen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. So deuten Erwähnungen von Personen wie Argyle (vgl. S. 129) UND MacDougal (vgl. S. 135), aber auch die aufgegriffene Ernennung Wesley Crushers zum Fähnrich ehrenhalber (vgl. S. 76f.) sowie Tasha Yars Herkunft (vgl. S. 153) darauf hin, dass ihre Kenntnisse zumindest bis zur sechsten Folge der ersten Staffel ("Der Reisende") reichten. Hinweise auf Deannas Mutter (vgl. S. 64) legen sogar den Verdacht nahe, dass sie es eventuell sogar bis zur elften Folge ("Die Frau seiner Träume") geschafft hat.
Auch die verschiedenen Schauspieler kannte sie bestens und spielt sogar mit diesem Wissen: Die Erwähnungen Sirtis' mediterraner (vgl. S. 110), bzw. griechischer (vgl. S. 65) Herkunft, Crosbys burschikosem Äußeren (vgl. S. 33) oder Stewarts bühnenhaften Tenors (S. 23) wären jedenfalls in der Form gar nicht möglich gewesen, wenn Carey die einzelnen Darsteller nicht in Aktion gesehen hätte.
Natürlich wäre es denkbar, dass die Autorin diese vergleichsweise häppchenartigen Informationen in ihr Werk einfügte, nachdem sie den Hauptteil der Handlung verfasste. Der geringe Umfang und der minimale Einfluss auf das Wesen der einzelnen Figuren sprächen jedenfalls für eine solche nachträgliche Einarbeitung. Doch diese minimalen Schönheitskorrekturen blieben dabei ein Tropfen auf den heißen Stein. Es bleibt festzuhalten, dass dieses Werk viel zu schnell auf den Markt geworfen wurde und dadurch keine große Schnittmenge mehr mit dem Endprodukt der Fernsehserie aufwies. Eine längere Bearbeitungszeit hätte Diane Carey zur Auseinandersetzung mit den einzelnen Charakteren sicherlich gut getan.
Das merkt man spätestens dann, wenn interne Schiffsabläufe thematisiert werden. Schenkt man den Ausführungen Careys Glauben, so muss man kritisieren, dass die Kommandokette auf dem Flaggschiff der Sternenflotte überhaupt nicht funktioniert. Das wird jedenfalls im zweiten Teil des Werkes überaus deutlich.
Picard lässt sich inmitten einer Notsituation zu Selbstversuchszwecken in ein Wachkoma versetzen (vgl. S. 210), während sich sein zweiter Offizier mit einem Shuttle zu Selbstopferungszwecken unerlaubt vom Schiff entfernt (vgl. S. 197ff.) und der Erste Offizier dem Androiden mitten in diesem Kommandovakuum auch noch auf diesen Kamikazetripp folgt (vgl. S. 229). Das Schiff treibt währenddessen schutzlos, energielos und führerlos durch das All, während ein fremdes Wesen nach dem Leben der Crew trachtet und in der kalten Dunkelheit des Weltraums lauert.
Dabei bleiben die Führungsspitze nicht das einzige Beispiel für Mängel in der Schiffshierarchie. Der junge Wesley Crusher zapft unbemerkt über einen Monat hinweg die Antimateriereserven des Schiffes in einem Sperrgebiet an (S. 173ff.) und Data zweckentfremdet während seiner Dienstzeit die Ops-Konsole für private Recherchen mit Sprachausgabe (vgl. S. 32). Die Crew wirkt wie ein anarchischer Haufen egozentrischer Individuen, der sich nicht sonderlich um die Einhaltung von Rangstufen oder Hackordnungen kümmert. Was heutzutage vielleicht irgendwie begrüßenswert und sympathisch klingt, passt aber nicht zur zukunftsorientierten Star-Trek-Ideologie, in der die unbedingte Einhaltung der Kommandostruktur eines Schiffes oder einer Station ein zentrales Merkmal für die Glaubwürdigkeit bedeutet. Stellt man diese wie hier in Frage, vermag sich ein Wiedererkennungsgefühl in irgendeiner Form auch partout nicht einzustellen.
Mehr noch: Es entreißt der philosophisch sicherlich relevanten Frage nach Sterbehilfe, die den Roman eigentlich bestimmen sollte, völlig den Boden und beraubt der gesamten Handlung die Nachvollziehbarkeit.
Passend dazu kulminiert das Buch schließlich in einem widerlich kitschigen Finale, in dem auch noch allen Ernstes und allen Gepflogenheiten der Franchise zum Trotz salutiert wird (vgl. S. 270f.).
Prädikat: Besonders Gruselig!

Übersetzung: Das Unheil kündigt sich bereits mit dem Titel des Buches an:
"Gespensterschiff" liest man da in Großbuchstaben auf dem Cover, obwohl es mit "Geisterschiff" einen ungleich geläufigeren Terminus innerhalb der deutschen Sprache gibt. Zumal innerhalb des Werkes nicht ein einziges Mal von 'Gespenstern', sondern durchweg von 'Geistern' geredet wird (vgl. z.B. S. 77, S. 109 oder S. 194).
Doch der Titel ist erst der Anfang einer wahren Übersetzungszumutung. Norbert Stresau, dem die Übertragung dieses Frühwerkes in die deutsche Sprache oblag, merkt man seine süddeutsche Herkunft umgehend an. Fürchterlich falsch klingende Satzteile wie "Er wollte sich nach der taktischen Konsole umwenden, […]" (S. 24) ", "[...] an der Reserve gehangen ist [...]" (S. 179) oder "[…] machten ihn frösteln […]" (S. 212) verraten seine Herkunft und mindern das Lesevergnügen bei Rezipienten, die sprachlich jenseits des Weißwurstäquators sozialisiert wurden.
Aber auch der verschnörkelte Stil des Textes nervt beim Lesen gewaltig. Beschreibungen wie "Geordi fühlte den Stachel seiner eigenen Hilflosigkeit." (S. 181), "Bittere Wut umwölkte Trois hübsche Augen." (S. 171) oder "Der Androide sah zu ihm auf, eine Bewegung, die Riker durchfuhr wie ein hölzerner Pflock." (S. 167) sind bei gelegentlichem Aufkommen sicherlich eine willkommene Abwechslung, doch ein ganzes Buch voll mit blumigen Umschreibungen wie diesen versetzt den potentiellen Käufer rasch an die Grenzen seiner Leidensfähigkeit. Natürlich ist so eine Stilfrage in erster Linie an den Autoren gekoppelt, doch an diesem Beispiel kann man gut erkennen, was passiert, wenn die Wirkung eines bereits anstrengenden englischen Originaltextes durch die weitaus breitere Ausdruckspalette der deutschen Sprache noch potenziert wird. Im Kontrast mit den äußerst grobschlächtigen Charakteren ergibt das ein zähes Wechselspiel, das ob seiner krassen Brüche den Lesefluss erheblich beeinträchtigt.
Obwohl das allein schon ausreichen würde, patzte Stresau ständig bei den einfachsten Übersetzungen. Stocksteife Übertragungen fern von jeder Sprachrealität prägen das Buch Seite für Seite. Aufgrund der Übersichtlichkeit zähle ich lediglich drei Beispiele von vielen auf, die beim Lesen übel aufstoßen.
So antwortet Picard auf die Türklingel "Ja, wer ist es es?" (S. 171, für "Yes, who is it?"), beendet seinen Satz mit "Fair genug." (S. 185, für die Redewendung "Fair enough.") oder beschreibt den Anblick "[...] mit nacktem Auge […]" (für "with naked eye" statt 'mit bloßem Auge' S. 74). Prinzipiell mag dies für das Englisch-Verständnis eines Grundschülers vielleicht richtig erscheinen, praktisch handelt es sich dabei jedoch nicht unbedingt für ein professionelles Statement eines Übersetzers, der mit seiner Arbeit Geld verdient. Um dieses Armutszeugnis zu komplettieren, muss man sich nur den wahren Zoo vor Augen halten, den die Besatzung bietet: Da wird gefaucht (vgl. S. 238), gebrüllt (vgl. S. 51), geschnaubt (vgl. S. 76), gekrächzt (vgl. S. 131) und gegrunzt (vgl. S. 171) wie sonst nur bei Daktari. Besonderer Beliebtheit erfreut sich dabei das Bellen, das der Crew besonders häufig in den Mund gelegt wird (vgl. S. 30, S. 70, S. 74, S. 116, S. 121, S. 131, S. 228, S. 244, S. 257, S. 262).

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Da wirkt es beinahe erfrischend, Konstanten der Heyne-Übersetzungsmaschinerie wiederzuentdecken. Doch zusammen mit altbekannten Fehlbezeichnungen wie "Galaxis-Klasse" (S. 24, statt "Galaxy-Klasse"), "Insignienkommunikator" (S. 49, statt "Kommunikator"), oder "Medo-Ingenieur" (S. 82, statt "medizinischer Techniker") tauchen auch noch weitere Begriffe auf, die so selbst in anderen Heyne-Romanen nicht zu lesen sind. So geben merkwürdig anmutende Formulierungen wie die "[...] des medizinischen Föderationskonzils […]" (S. 194), "Warp-Hülle" (statt "Warp-Blase" S. 128) oder "Lebensmittelspender" (statt "Replikator", S. 36) allenthalben ihr Stelldichein.
Komplettiert wird dieses Feld durch die gleichzeitig ebenso typischen, wie unangebrachten Anglizismen á la "Starbase" (S. 40), "Starfleet" (S. 76) oder "Lightshow" (vgl. S. 215), die durch denglische Zwitterübersetzungen wie "Exhaustoren" (S. 143), "Junktor" (S. 155) oder "Antimaterie-Reservecenter" (S. 199) eine fragwürdige Gesellschaft erhalten.
Das Sahnehäubchen bilden allerdings die kleinen Fehlerteufel, denen man innerhalb des Buches des Öfteren begegnet. Abgesehen von fehlenden Anführungsstrichen (S. 158), kommt es auch schonmal vor, dass aus "neunundsiebzig" Prozent (S. 98) nur eine Seite später plötzlich "siebenundneunzig" Prozent (vgl. S. 99) werden. Zudem werden das Siezen und Duzen nicht konsequent beibehalten (vgl. S. 145).
Alles in allem verdient dieses Buch einen Spitzenplatz unter den am schlechtesten übersetzten Star-Trek-Büchern – selbst für Heyne-Verhältnisse. Ich persönlich kann mir das auch nur dadurch erklären, dass der Verlag seinen Übersetzern einem ähnlichen Zeitdruck aussetzte, wie Carey ihn eventuell in den USA erleben musste. Der Werbetext auf der Buchrückseite, der die ab September 1990 jede Woche im ZDF laufende neue Serie "Die nächste Generation" (!) anpreist, lässt diesen Schluss jedenfalls auch für dieses 1990 in Deutschland erschienene Werk zu.

Anachronismen: Eigenlob stinkt.
Diese simple nationale Binsenweisheit hat es scheinbar noch nicht über den Großen Teich geschafft, denn unmittelbar vor dem eigentlichen Beginn der Geschichte beschreibt die Autorin, dass sie aufgrund ihrer guten Quellen jene bei ihrem Publikum ach so beliebte Detailgenauigkeit bei philosophischen, wissenschaftlichen und militärischen Fragen an den Tag legt.
Den Gegenbeweis tritt die Autorin allerdings bereits auf den ersten Seiten an. Dort wird nämlich ein sowjetischer Flugzeugträger namens 'Gorschkow' beschrieben, der 1995 unter mysteriösen Umständen verschwand.
Mittlerweile liegt das Jahr 1995 in unserer unmittelbaren Vergangenheit, und was soll ich sagen?!
Es gab tatsächlich einen Flugzeugträger dieses Namens, der sogar in diesem Zeitraum von einer Explosion heimgesucht wurde!
Allerdings handelte es sich weniger um einen "Flugzeugträger" (S. 67), sondern um einen sogenannten "Flugdeckkreuzer" (durch diese semantische Spitzfindigkeit konnte die Sowjetunion das vertraglich fixierte Durchfahrtsverbot von 'Flugzeugträgern' durch die Dardanellen umgehen). Er gehörte zur "Kiew-Klasse", und nicht zur "Lenin-Klasse" (vgl.S. 8). Es hatte maximal 1665 Mann Besatzung und nicht fünftausend (vgl. S. 224). Es war weder atombetrieben (vgl. S. 8), noch mit MiGs bestückt (vgl. S. 9).
Eigentlich hieß das Schiff zur Entstehungszeit des Romans sogar "Baku" und wurde erst nach dem sowjetischen Marine-Oberhaupt benannt, als Aserbaidschan zusammen mit seiner Hauptstadt in die Unabhängigkeit entlassen werden musste.
Zwar wollte es der Zufall, dass das Schiff 1995 tatsächlich durch eine Explosion außer Dienst gestellt wurde, doch es existiert bis heute und gehört als "INS Vikramaditya" mittlerweile zur indischen Marine.
Aber das konnte Carey 1987 unmöglich ahnen.
Genausowenig konnte sie ahnen, dass die Sowjetunion 1992 aufhören würde zu existieren. Damit wurden dieser Roman und sein gesamter Inhalt urplötzlich hinfällig.
Doch dieser Fehler ist bei Lichte betrachtet ein gängiger Begleiter innerhalb des Star-Trek-Universums. Abgesehen von Chekovs ständigen Einwürfen in der Originalserie, kam es ebenfalls im vierten Kinofilm zu einer Erwähnung Leningrads, obwohl die Stadt seit 1991 in Sankt Petersburg zurückbenannt wurde. Scheinbar muss die Sowjetunion im Star-Trek-Universum irgendwann wie Phönix aus der Asche wiederauferstanden sein.
Also folgen wir doch einmal diesem Anachronismus bereitwillig und nehmen der Bequemlichkeit halber an, dass das mit der Sowjetunion irgendwie so in Ordnung geht (als Veteranen der Eugenischen Kriege dürfen wir uns so etwas erlauben).
Warum zum Teufel fliegen dann die Piloten der gestarteten sowjetischen Kampfjets vom Schwarzen Meer (vgl. S. 8) bis ins Mittelmeer (vgl. S. 18), um auf einem dafür nicht ausgerüsteten amerikanischen Flugzeugträger notzulanden?
Die Piloten (die nicht überlaufen wollten, vgl. S. 71) hätten in der gleichen Zeit problemlos Militärflughäfen auf der Krim, dem ukrainischen bzw. russischen Festland, in Georgien oder den sozialistischen Bruderstaaten Rumänien und Bulgarien (beide waren Mitglied im Militärbündnis des Warschauer Paktes) ansteuern können. Immerhin misst das Schwarze Meer an seiner breitesten Stelle gerade einmal 1.175km, was bedeutet, dass selbst eine MiG-31 (im Buch wird die nie in Produktion gegangene MiG-33 beschrieben, vgl. S. 19) mit einem Einsatzradius von 1.450km bei Unterschallgeschwindigkeit ohne Schwierigkeiten einen der eigenen Flughäfen hätte ansteuern können. Gerade mit ihrem angeblichen Militärfachwissen sollte Carey gewusst haben, dass es den Piloten unmöglich gewesen sein muss, den Luftraum des NATO-Mitglieds Türkei zu durchqueren.
Ebenso wenig konnte Carey damals ahnen, in welche Richtung sich Star Trek im Allgemeinen, und TNG im Speziellen entwickeln würden. So ziehen die angesprochenen Charaktere einen wahren Rattenschwanz an Anachronismen hinter sich her.
So erfährt man, dass Picard ein Marquis ist (vgl. S. 88) und auf Riker ob desses Verweigerungshaltung in puncto Außenteameinsätze neidisch sein soll (vgl. S. 105). Dabei kann man in "Das Pegasus-Projekt"erfahren, dass der Captain der Enterprise Riker genau aus diesem Grund überhaupt als Stellvertreter ausgewählt hatte.
Auch Geordi LaForge und dessen Visor verführten Carey zu unvorsichtigen Äußerungen. So kann man in diesem Buch lesen, dass dem Navigator das Tragen seiner Sehhilfe unablässige Schmerzen beschert (vgl. S. 87), dass er zu einem erlauchten Personenkreis von lediglich vier Sehbehinderten gehört, die überhaupt mit einem solchen Gerät umgehen können (S. 86) oder dass er das Gerät mehrmals am Tag abnehmen muss, um Erschöpfungszuständen zu entgehen (S. 87). Das steht natürlich in akutem Widerspruch zu später ausgestrahlten Episoden, in denen der Umgang mit Geordis Behinderung viel weiter in den Hintergrund gerückt wurde und seine Prothese zu einem Alltagsgegenstand wie etwa eine Brille verklärt wird.
Einer ähnlichen Entwicklung sah sich auch Worf ausgesetzt. Als Ursache für die Tatsache, dass er im Gegensatz zu seinen Ahnen der Originalserie Stirnwülste trägt, gibt Carey eine klingonischen Säuberungsaktion an (vgl. 34). Dank "Immer die Last mit dem Tribbles" oder dem Enterprise-Zweiteiler "Die Heimsuchung/ Die Abweichung" weiß der Star-Trek-Fan das heute natürlich besser. Aber schon nach der ersten Staffel TNG mit all ihren Fehlern, hätte man sich denken können, dass Rikers Notlüge, ausgerechnet der grummelige Klingone hätte eine wissenschaftliche Lösung für das Problem gefunden, nun wirklich keinen abtrünnigen Androiden aus seinem Versteck locken würde (vgl. S. 242).
Verwunderlich stimmt auch, dass Deanna Troi nicht mit der Silhouette eines Flugzeugträgers vertraut sein soll vgl. S. 57). Immerhin zierte ein vergoldetes Modell eines solchen Schiffes bereits seit Beginn der Serie den Besprechungsraum, in dem auch der Counselor mehrfach zu sehen war.
Wie aber bereits angemerkt, ist die Person, mit der das gesamte Buch fällt, der Androide Data. Er ist das völlige Gegenteil zu dem, was ihn in der Fernsehserie ausmacht. Seine Darstellung ähnelt eher kybernetischen Lebensformen wie den Borg (vgl. z.B. S. 198f). Bedenkt man allerdings, wie wenig den assimiliationsfreudigen Halbmaschinen im achten Kinofilm "Der erste Kontakt" das Plasmakühlmittel vertrugen und wie glimpflich Data im Vergleich zu ihnen davonkam, wird rasch klar, wie unnötig weit sich Carey mit ihrem Behauptungen aus dem Fenster lehnte.
Außerdem verwundert es natürlich schon, dass Geordi angeblich mit seinem Visor künstliche Lebensformen wie Soong-Androiden erkennen kann (vgl. S. 35f.). Immerhin gelang es ihm nicht, in "Soongs Vermächtnis" Datas Mutter Juliana Tainer als positronische Kopie zu enttarnen.
Ferner bleibt auch die Aussage, Datas Status als Lebensform und damit auch seine Befähigung, auf die Sternenflotte zu gehen, sei von Maschinen getroffen worden (vgl. S. 167), wird spätestens in "Wem gehört Data?" widerlegt, in der man erfahren kann, dass eine Kommission unter Beteiligung Bruce Maddox über die Einordnung Datas in die Gesellschaft entschieden hat.
Besonders schade fand ich persönlich, dass Carey mit dem Selbstgespräch Datas (vgl. S. 201) einen heimlichen Höhepunkt der Folge "Die Verschwörung" vorwegnahm.



Data blieb jedoch nicht der einzige technologische Aspekt, dessen Wesen sich der Autorin verschloss. So funktioniert Holo-Technologie schlichtweg nicht auf die beschriebene Weise (vgl. S. 49f.) und würden Kommunikatoren tatsächlich auf diese Weise auf ihren Träger kodiert sein (vgl. S. 201), so wären verschiedene Entwicklungen in Folgen wie "Terror auf Rutia IV", "Erwachsene Kinder" oder "Renaissance Mensch" überhaupt nicht möglich gewesen.
Während man darüber sicherlich hinwegsehen könnte, ist die Verwendung von "Warp zehn", "Warp zwölf" oder "Warp vierzehn Komma neun" (vgl. S. 94) im Hinblick auf die Einführung einer neuen Warpskala im Zuge der neuen TV-Serie schon harter Tobak.
Natürlich sind das alles Anachronismen, die sich erst später im Widerspruch zu diesem Buch entwickelten. Carey, der die undankbare Aufgabe zukam, das erste eigenständige TNG-Buch zu schreiben, war sicherlich einem immensen Zeitdruck ausgesetzt.
Ja mehr noch!
Vergleicht man ihre Interpretation mit den Informationen aus der zweiten TNG-Episode "Gedankengift", so muss man ihr sogar zugestehen, dass ihre Beschreibungen – mit Abstrichen - durchaus den dort gegebenen Informationen entsprechen. Schon allein, wenn man sich die Tatsache vor Augen hält, dass Data dort einer ansteckenden Krankheit zum Opfer fällt, machen die hiesigen Angaben zu Datas organischen Komponenten sogar Sinn. Allerdings erfreut sich diese Folge gerade wegen ihrer unpräzisen Einschätzungen im Hinblick auf spätere Entwicklungen nicht ganz zu Unrecht nur wenig Beliebtheit unter den Fans der Serie.
Das Gleiche ließe sich auch über das Buch sagen.
Einen letzten Anachronismus muss ich an dieser Stelle, die eigentlich das perfekte Ende für diesen Abschnitt bilden würde, aber noch kritisieren. Das schlecht getroffene Schiff auf dem Cover (das in keinem Zusammenhang mit dem Inhalt des Buches steht) ist tatsächlich frech aus "Kampfstern Galactica" geklaut, obwohl im Text explizit erwähnt wird, dass Data eben kein 'Toaster' sei (vgl. S. 32).

Fazit: "Gespensterschiff" bietet ein gutes Beispiel dafür, warum Bücher nicht zum offiziellen Kanon gezählt werden. Autorin Diane Carey versuchte zwar wirklich redlich, Lücken zu füllen und Widersprüche aufzuklären, doch der Lauf der Zeit hat dieses Werk längst links liegen gelassen. Zu groß muten die Lücken zur eigentlichen Serie mittlerweile an, als dass dem Buch noch größere Aufmerksamkeit zuteil werden sollte. Doch wäre dies das einzige Problem, so wäre es immerhin noch ein nettes Zeitdokument, doch weitere eklatante Schwächen prägen dieses Werk.
Carey gelingt es nicht, die Figuren auch nur annähernd zu treffen; geschweige denn die Parameter der noch jungen Serie in ihrem Wesen zu erfassen. Ihr Schreibstil steht in einem viel zu großen Widerspruch zu den grob gezeichneten Charakteren. Hinzu kommt eine der schlechtesten Übersetzungsleistungen, die der Heyne-Verlag seinen Lesern je zumutete.
Wer also wirklich wissen will, wie schlimm sich die Qualen der sowjetischen Schiffsbesatzung in nie enden wollender Pein anfühlen müssen, braucht nur dieses Buch bis zum bitteren Ende zu lesen, um einen guten Eindruck davon zu erhalten. 

Denkwürdige Zitate:

"Erlaubnis erteilt, sich nicht in einem fort entschuldigen zu müssen, Counselor."
Jean-Luc Picard, S. 56

"Ziemlich fähige Puppe. Biene? Hase? Maus? Frauenzimmer? Weibsbild?"
Data, S. 60f.

"Captain, was soll ich eigentlich auf diesem Schiff, wenn Sie nicht auf meine Ratschläge hören?"
Deanna Troi, S. 93

"Null Problemo."
Data, S. 114

"Picard... verdammt soll er sein."
William T. Riker, S. 115

"Werfen wir die Perlen aus und sehen zu, ob die Sau uns folgt."
Jean-Luc Picard, S. 136

"Das ist ein Raumschiff, kein Spielplatz, Wes."
Geordi LaForge, S. 176

"Wenn ich mich mit solch bleichen ethischen Problemen hätte herumschlagen wollen, wäre ich Priester geworden."
Jean-Luc Picard, S. 187

"Sie behandeln mich noch immer wie ein Kind, obwohl ich auf der Brücke bin."
"Sie sind deshalb auf der Brücke, weil ich es so entschieden habe, und nicht, weil Sie es verdient haben. Ihr Talent sprengt den Rahmen Ihrer Weisheit, junger Mann. Früher oder später werden Sie die unangenehme Tatsache akzeptieren müssen, daß die Erfahrung der Leute um Sie herum mehr wert ist, als Ihre Begabung, und daß Sie, wie jedermann sonst auch, abwarten müssen, bis die Reihe an Sie kommt. Und nun denken Sie an Ihren Rang, halten Sie den Mund und und folgen Sie mir in den Maschinenraum, wo Sie Ihre Gaben einsetzen und den anderen erlauben werden, dasselbe zu tun."
Wesley Crusher und Jean-Luc Picard, S. 255

Bewertung: Eine Grenzerfahrung.

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