Sonntag, 1. November 2009

Die Anfänge 03. Die letzte Grenze

Buchbesprechung Carey, Diane: Die Anfänge 03. Die letzte Grenze. Heyne 1988/1990.

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Story: James T. Kirk ist zehn Jahre alt und lebt zusammen mit seinem Bruder George Samuel und seiner Mutter irgendwo in Iowa.
Und während der selbstbewusste Junge zu den Sternen blickt und davon träumt, einmal seinen Vater auf der Sternenbasis zu besuchen, auf der dieser seinen Dienst versieht, schreibt Kirk senior Briefe an seine Söhne.
Eines schönen Tages verlässt er allerdings ungewollt den tristen Alltag seiner Station und wird von Captain Robert April für eine Mission rekrutiert, die hilflose Kolonisten eines in einem Ionensturm gefangenen Schiffes vor dem drohenden Strahlentod retten soll. Doch der Sturm ist undurchdringlich, der Weg weit und die Zeit knapp – wie soll diese Aktion gelingen?
April wäre jedoch nicht April, wenn er nicht noch ein As in seinem Uniformärmel versteckt hätte. Ein nagelneues Sternenschiff, das mit zukunftsweisender Technologie ausgestattet ist, soll zur Galionsfigur eines Gestalt gewordenen Sternenflottenideals werden, und mit der Rettungsmission ein neues Zeitalter der Raumfahrt einläuten.
Doch Kirk senior sieht auch die Schattenseiten des ambitionierten Projekts. Mit seiner Waffengewalt und seinem gigantischen militärischen Potential repräsentiert es auch genau das Gegenteil: Unterdrückung, Zwang und Macht. Doch die Besatzung zieht an einem Strang und gemeinsam bricht die enthusiastische Crew auf, um der Rosenberg zu helfen.
Leider die Mannschaft hat die Rechnung ohne die Saboteure der Romulaner gemacht, die ebenfalls an Bord gelangt sind.
Das noch unbenannte Schiff springt plötzlich auf Warp, und als die Besatzung wieder die Kontrolle erlangt, findet sie sich mitten im romulanischen Hoheitsgebiet wieder, Auge in Auge mit einem romulanischen Schlachtkreuzer. Die beiden Großmächte des Beta-Quadranten stehen plötzlich vor einem Krieg, und es liegt an April und seinem ersten Offizier George Kirk, diesem Wahnsinn Einhalt zu gebieten. Doch wie soll dies gelingen, ohne die eigenen Ideale und Werte in Frage zu stellen?

Lobenswerte Aspekte: Nach den zwei eher mäßigen Bänden „Die erste Mission“ und „Fremde vom Himmel“ der Reihe „Die Anfänge“ fragt man sich schon, ob die Lektüre des dritten und letzten Bandes überhaupt noch gerechtfertigt ist. Doch soviel sei schon mal verraten: Auch wenn es den ein oder anderen Kritikpunkt gibt, hat sich das Durchhalten tatsächlich gelohnt! Irgendwie jedenfalls...
Im Mittelpunkt steht nämlich mal nicht der oft beschriebene Kirk (auch wenn er in der ein oder anderen Szene als Briefe missinterpretierender Nebendarsteller auftaucht), sondern sein Erzeuger, der Sicherheits-Rambo George Kirk, der erst vor kurzem im elften Kinofilm ein Gesicht für den imaginationsfaulen Fan erhalten hat. Und tatsächlich kann man sich während des Lesens dieses Gesicht richtig gut bei jener Figur vorstellen, deren plötzliche ‚Versetzung’ in den Dienst unter Captain Robert April, der wiederum dem ein oder anderen Hardcore-Trekkie noch aus der TAS-Episode „Flucht aus einem anderen Universum“ bekannt sein könnte, im Mittelpunkt des Leseinteresses steht. Und als ob das noch nicht genug Lücken in der Star Trek Geschichte füllen würde, wird das Schicksal beider Personen auch noch mit dem des berühmt-berüchtigten Schiffes verknüpft, das später einmal unter dem Kommando James Tiberius Kirks stehen sollte: der USS Enterprise – deren Name erst im Laufe der Handlung auf das (noch) Unbenannte Flug-Objekt übertragen wird.
Viele widersprüchliche Angaben in der angesprochenen Trickfilm-Folge werden quasi im Vorbeiflug aufgelöst und der Autorin Diane Carey gelingt es in einem Drahtseilakt, die Ur- und Frühgeschichte der Föderation in eine nachvollziehbare Atmosphäre zu tauchen, in der viele der in unseren Augen heute bereits zum Schmunzeln animierenden technischen Errungenschaften der TOS-Ära als bahnbrechende Neuerungen gelten.
Selbst die Romulaner, deren Darstellung in eine Zeitlinie gearbeitet ist, die sich an Spocks Angaben in „Spock unter Verdacht“ orientiert, gewähren interessante historische Einblicke. Neben technologischen Überraschungen wie den Weltraumflugzeugträgern, die zu dieser Zeit noch immer genutzt werden, sind auch die nähere Beleuchtung der romulanischen Gesellschaft und die Nutzung des Rihannsu, der Sprache der Romulaner, positiv herauszustellen, auch wenn der normale Leser mit Sätzen wie „Vaed’rae hwaeveyiir Zwaan.“ (S. 407) oder „Hwiiy’lou g’tu hwiiy.“ (S. 387) erst einmal recht wenig anfangen kann.
Die Story ist zwar nicht annähernd so verschachtelt und klar strukturiert wie im Vorgänger, doch jene Szenen, bei denen ich mich ab und zu fragte, was die Autorin mit ihrer Einbindung überhaupt beabsichtigte, ergeben ein anderes, größes Bild: Hier läuft eben nicht alles nach Plan, sondern unvorhersehbare Komplikationen verschärfen die Situation immer weiter und lenken ab, bis eine im Prinzip simple Idee den gordischen Knoten zum Zerbersten bringt – auch eine probate Variante, mit Spannung umzugehen.
Und wenn „Fremde vom Himmel“ schon ein Buch als literarisches Element aufnimmt, so spielt dieses Werk eben mit den antiquierten Briefen, die der konservative Sternenflottensöldner Kirk hier seinen beiden Söhnen schickt. Sie lockern den Inhalt genauso auf, wie die verschiedenen Teile, in die der gesamte Roman gegliedert ist. Deren Überschriften, die ebenso wie der Buchtitel mit dem Intro der ersten Fernsehserie verbunden sind, vermitteln eine gewisse Kontinuität, auch wenn das Werk den Ereignissen der einzelnen Episoden vorangestellt ist.
Nun gut, vielleicht nicht jeder Episode, denn „Griff in die Geschichte“ reicht beispielsweise noch weiter in die Historie der Menschheit, als dieses Buch es tut. Umso cleverer, dass Carey genau diese Folge nutzt, um sie zum Aufhänger ihrer extrem klein gehaltenen Nebenhandlung zu machen.
Andere Informationen referieren ungleich subtiler an die erste Star-Trek-Serie, und nur das geübte Auge kann anhand von Kleinstanspielungen wie „rigelianischer Dolch“ (S. 21) oder „transparentes Aluminium“ (S. 446) auf bestimmte Folgen oder Filme schließen. Höhepunkt war in meinen Augen jedoch, dass dieses Buch einen eher unfreiwilligen Bezug zur ENT-Episode „Das Minenfeld“ bietet, von der die Autorin 1988 beim besten Willen noch keine Ahnung haben konnte:
Abgesehen davon, dass einer der Hauptcharaktere ausgerechnet Lt. Reed heißt (vgl. S. 71), ist die Neuerung, dass Haftminen, die sich an anderen Schiffen festsetzen, alle nicht romulanischen Entschärfungspezialisten durch sofortige Explosion bestrafen (vgl. S. 395), recht bemerkenswert, denn man könnte sie mit einigem Wohlwollen und aufgrund der vielen Handlungsparallelen als Lehre interpretieren, die das Romulanische Sternenimperium aus den Erfolgen Reeds und Archers in jener Folge zogen, denn eine Mine, die vom Gegner so problemlos außer Gefecht gesetzt werden kann, ist militärisch gesehen hochgradig unsinnig.

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Nicht scharf genug: Romulanische Mi(e)nen des 22. Jahrhunderts

Was diesen Roman jedoch so überaus lesenswert macht, sind die vielen Informationen, mit denen nicht nur die Anfangszeit der Föderation beleuchtet wird. Man erfährt hier nämlich genauso gut, wofür eigentlich das Kürzel "USS" steht (vgl. S. 93), was "NCC" heißt, warum die Registrationsnummer dieses Schiffes ausgerechnet "1701" ist (vgl. beides S. 93) und wie der Mädchenname von Sarah April lautete (vgl. S. 39). Die Verfasserin spielt außerdem geschickt mit den Angaben früherer Werke wie „Das Netz der Romulaner“, nach denen die Schiffsklasse der Enterprise schlicht mit „Starship“ angegeben wurde, und korrigiert diese Angaben mit gr0ßer Behutsamkeit (vgl. S. 93 oder S. 475).
Ihre Charaktere sind allesamt nachvollziehbar, deren Einbindung überaus geschickt und ihr Werk spannend. Wo gibt es also kritisches anzumerken?

Kritikwürdige Aspekte: Natürlich kommt immer dann Freude auf, wenn man es mit Romulanern zu tun hat, denn diese intriganten Vetter der Vulkanier geben ein ideales Feindbild ab, das von der ach typisch menschlichen Friedensliebe so sehr abweicht.
Doof nur, wenn sie sich unterhalten, als ob sie selbst Menschen wären, und uns brachial daran erinnern, dass das Star-Trek-Universum den menschlichen Maßstab auf die gesamte Milchstraße verallgemeinert. Redewendungen aus romulanischen Mündern wie etwa „Er ist wie ein Schwert über ihrem Kopf.“ (S. 57), „[…] Taube unter Falken […]“ (S. 58) oder „[…] Sprossen der Karriereleiter […]“ (S. 370) klingen merkwürdig und ich hätte sie vielleicht noch Kirk oder Pille zugetraut, doch selbst der Halbmensch Spock hätte sich keine solche Blöße gegeben und pro forma wenigstens darauf hingewiesen, gerade eine primitive menschliche Redewendung zu benutzen.
Doch auch andere Logiklöcher stören beim Lesen. So ist mir immer noch nicht so ganz klar, warum alle Crewmitglieder in der Episode „Spock unter Verdacht“ so verdammt erstaunt waren, dass die Romulaner so aussehen, wie ihre vulkanischen Anverwandten – schließlich hat Kirks eigener Vater doch eigenhändig einen von ihnen aus dem feindlichen Territorium mitgebracht! Ja gut, natürlich könnte man jetzt darauf verweisen, dass im Schlussteil erklärt wird, dass alles selbstverständlich der obersten Geheimhaltungsstufe unterlag, doch es ist schlichtweg unglaubwürdig, dass eine solch wichtige Information nicht verbreitet wurde!
Und wenn Captain April schon so viel auf Ideale und Schöngeisterei hält, warum hält er den Vertrag zur Neutralen Zone nicht ein, und übergibt sein illegal hier eingedrungenes Schiff nicht ordnungsgemäß dem Gegner, wie es die Paragraphen laut „Die unsichtbare Falle“ verlangen?
Auf keiner Seite findet sich eine Antwort auf diese Fragen.
Doch auch einige technische Mysterien bleiben ungeklärt.
Wenn die Programme des Computers gelöscht werden, warum reinstalliert man nicht einfach eines (vgl. S. 341)? Gibt es in der Zukunft etwa keine Backups mehr?
Wie kann man beamen (vgl. S. 324ff.) und Haftminen auf der Außenhülle anbringen (vgl. S. 390ff.), wenn ein Sternenflottenschiff die Schilde hochgefahren hat?
Doch der Höhepunkt dieser wirren Angaben betrifft den juvenilen Verräter Woods, der eindeutig den Spion Saffire bei seinem Sabotageakt unterstützt und über dessen Pläne Bescheid weiß (vgl. S. 179), plötzlich jedoch wieder unschuldig wird und von Sankt Kirk höchstpersönlich die Absolution erteilt bekommt (vgl. S. 435). Was war da los? Gibt es vielleicht mehrere Personen namens Woods auf dem Schiff? Hat er vielleicht auch einen bösen Zwillingsbruder? War da eventuell etwas falsch übersetzt? Oder hat sich die Autorin Diane Carey während des Schreibens plötzlich umentschieden und nur vergessen, Woods Namen aus der Sabotageszene zu tilgen?
Doch wenn man diese mit Logikschlaglöchern versehene Handlungsautobahn bis zu ihrem Ende abgefahren hat, dann hat man schon irgendwie dass Gefühl, dass die Straße ohne Grund einfach im Nichts aufhört und man auf einer grasgrünen Wiese landet, auf der bunte Blumen blühen und kleine süße Hoppelhäschen das Unkraut vertilgen.
Vorahnungsvolle Angstzustände löst nämlich bereits die Erwähnung eines ganzen Schiffes voller unschuldiger Kinder aus, das in einem Ionensturm gefangen, dem Tode geweiht ist und nur durch den Heldenmut von Sternenflottenoffizieren gerettet werden könnte.
Also mal ehrlich, das ist ja nun wirklich eines der abgelatschtesten Themen der Welt! Es appelliert in einer typisch amerikanischen Manier an die niedrigsten Instinkte der Menschen (Beschützerinstinkt, Kindchenschema, Mutterinstinkt) und mündet stets in kitschigster Manier in einer rührseligen Katharsis, die nach der gefühlten tausendsten Wiederholung nur noch Abscheu und Ekel auslöst.
Doch auch wenn dieses Motiv zunächst durch den unfreiwilligen Ausflug in das Staatsgebiet der Romulaner beiseite geschoben wird, endet das Buch in genau diesem vor lauter Zuckerguss klebrigen Happy-End. Es ist völlig vorhersehbar und ohne jeden erzählerischen Reiz - ein brachialer Tritt in die Tränendrüse, der vor allem von verpassten Gelegenheiten zeugt: Warum stirbt Kirk senior nicht einfach? Oder wenigstens T’Cael? Warum ist April nicht gezwungen, vielleicht doch das ein oder andere Föderationsideal zu hintergehen?
Solche Wege hätten das Buch zu etwas außergewöhnlichem gemacht oder zumindest den Umfang des Buches gerechtfertigt, doch mit diesem familienfreundlichen Finale kann man es problemlos in eine Traditionslinie mit Fernsehserien wie den „Waltons“, „Unsere kleine Farm“ oder „Eine himmlische Familie“ setzen.
Aber auch die Parallelen zu einer anderen Fernsehsendung sind frappierend. Wer sich wie ich noch an die „He-Man an the Masters of the Universe“-Trickfilme erinnert (die übrigens, wie TAS auch, auf das Konto Lou Scheimers gehen), kennt bestimmt auch noch die Stellen, in denen die halbwegs intelligenten Kinder immer ausgeschaltet haben:
Am Ende steht der mit Steroiden vollgepumpte Hüter von Eternia nämlich noch mal vor der Kamera, und erklärt dem doofen Zuschauer, der nicht rechtzeitig genug umschalten konnte, was eigentlich die Moral jener Geschichte war, die man sich gerade angesehen hat. Das war damals schon zu peinlich um es zu ertragen, aber anno dazumal scheinbar modern.
Denn der Schluss des 1988 erschienenen Buches schlägt in eine ähnliche Kerbe, und die angefügten Wortmeldungen von Jaques Costeau, Roger Rosenblatt und Ayn Rand zeigen dem Leser noch mal ganz klar, in welche Intentionen die Autorin verfolgte und es drängt sich das Gefühl auf, dass die mehr als offenkundige Moral des Werkes wird mit einem dicken Rotstift noch einmal doppelt unterstrichen wird, weil der Leser vielleicht zu doof sein könnte, den tieferen Sinn überhaupt zu verstehen.

Übersetzung: Wie man schnell an Stellen wie den Passagen um das „Starship“ (S. 75ff.) feststellen kann, war die Übersetzung dieses Wälzers definitiv keine leichte Aufgabe. Besonders die vielen Eigennamen bereiteten offensichtliche Schwierigkeiten, und die Übersetzungen von Personennamen wie „Kettensäge“ (S. 22) und „Seelenkralle“ (S. 71) statt ‚Chainsaw’ und ‚Spirit Claw’ sind bestenfalls gut gemeint, zumal in der deutschen Synchronisation der TAS-Episode „Kulkulkan der Mächtige“ der ebenfalls zu einem Indianer gehörende Name „Walking Bear“ klugerweise unangetastet belassen wurde.
Dieser Roman folgt stur der Heyne-Übersetzungsschule, und zu den wenigen tatsächlich unübersetzten Begriffen gehören zum Beipirel „Starfleet“ (S. 16) und „Starbase“ (S. 80), obwohl für sie deutschsprachigen Äquivalente existieren.
Doch auch mit den merkwürdigen Formulierungen, die in den Heyne-Büchern den Vorzug gegenüber den durch Synchronisation etablierten Begriffen gegeben wird, spart man an keiner Stelle. Hier ein „interstellarer Hüpfer“ (S. 35), dort ein „Diskussegment“ (S. 71); an dieser Stelle einige Kombinationen mit dem Suffix Erg- (vgl. S. 106, S. 141 oder S. 386), an jener einige mit Medo-. Letztere Gruppe ist allerdings in ihrer Schreibweise recht abweichend, wenn es darum geht, sie mit dem Wort Scanner zu verbinden. Mal wird liest man vom „Medo-Scanner“ (vgl. S. 116 und S. 206) und mal von der zusammen geschriebenen Form „Medoscanner “ (vgl. S. 161 und S. 388). Dabei scheint die Schreibweise davon abzuhängen, ob eine Frau oder ein Mann dieses Gerät benutzt. Wie sexistisch!
Auf ein Wort, das hier immerhin acht mal vorkommt, sollte vielleicht noch einmal gesondert eingegangen werden.
Nach Überprüfung einiger Duden aus den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts kann ich mit Sicherheit sagen, dass es das Verb „desaktivieren“ nicht gibt und niemals gab, egal ob mal es substantiviert oder beugt!
Dieser Makel, der sich auch noch so oft wiederholt, ist einer der traurigsten Belege für die Übersetzungsriege des Verlags, die natürlich auch vor anderen Fehlern nicht gefeit gewesen ist.
Die (inoffizielle) Währungseinheit der Föderation, die „credits“, werden mit „Kreditkarten“ (S. 24) übersetzt und statt von einer „fünften Kolonne“ spricht man hier von einer „fünften Kolonie“ (S. 227). Daneben lassen sich noch einige Fehler wie „Dicht unter der Decke befanden sich einige Monitoren […]“ (S. 81) oder „Er hat vergessen, daß die Föderation der direkten, unmittelbaren Manifestation einer menschlichen Überzeugung gleichkomme, […]“ (S. 355).
Die ungünstig gewählten Begriffe „Primus“ (S. 52) und „Alcazar“ (S. 143) erinnern eher an Bands, als an das Sternenimperium, doch die abstoßendste Formulierung des Romans ist jedoch die Bezeichnung der Romulaner als „Roms“ (vgl. z.B. S. 221), die an abwertende rassistische englische Bezeichnungen wie „Japs“ oder „Chins“ erinnern, und nicht nur dem Umgangston in der Föderation widersprechen dürften, sondern auch der deutschen Übersetzung getrost entnommen werden können.
Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Der unbestreitbare Gipfel ist der Satz „Stalin ermordete Millionen von Menschen, und niemand hinderte ihn daran, weil die Welt den Kampf satt hatte. Im Vergleich zu ihm spielte Hitler nur die Rolle eines historischen Statisten.“ (S. 265), der Diane Carey ihre historische Kompetenz abstreiten lässt, und hierzulande eigentlich schon als Verharmlosung des Holocausts strafrechtlich verfolgt werden müsste.

Anachronismen: Wie so viele Werke auch, bezog dieser Roman den Großteil seiner Informationen aus der „Spaceflight Chronology“, einem Standardwerk der frühen achtziger Jahre, dass ab der ersten Staffel TNG vom Kanon eingeholt wurde. So nimmt es nicht Wunder, dass die meisten Informationen, wie etwa die Ersteinführung des Transporters (vgl. S. 72 und "Daedalus"), nicht unbedingt mit den Informationen aus den Serien übereinstimmen, wobei nicht nur die letzte Serie ENTERPRISE zum Stolperstein wurde.
Schon allein die zeitliche Einordnung stimmt hinten wie vorne nicht. Gleich der erste Brief von Papa Kirk ist vom 10. Mai 2183 datiert (vgl. S. 16), und Kirk selbst hält sogar fest, dass er zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre alt war (vgl. S. 127), was wiederum den Schluss zulässt, dass die Serie entweder im Jahr 2216 oder 2217 spielen müsste, oder dass Kirk im „Zorn des Khan“ in Wirklichkeit nicht seinen zweiundfünfzigsten, sondern seinen einhundertundzweiten Gebutstag gefeiert hätte. Das haut nun wirklich nicht hin! Wie kommt man überhaupt auf eine solche zeitliche Einordnung? Vielleicht kann uns ja das Intro der Original-Serie eine Antwort darauf geben:



Wir schreiben das Jahr 2200!
Nun ja, da hat wohl jemand einiges zu wörtlich genommen.
Nicht allzu wörtlich wurde allerdings der vierte Kinofilm genommen, aus dem zwar das „transparente Aluminium“, nicht aber die Abschaffung der Geldwirtschaft übernommen wurde (vgl. S. 20, S. 75, S. S. 260 und S. 442).
T’Caels Verwunderung über die verschiedenen Hautfarben bei Menschen löst ebenfalls eine größere Verunsicherung aus. Schließlich haben die Vulkanier, ihres Zeichens Vorfahren der Romulaner, auch verschiedene Hautfarben, wie man beispielsweise an Tuvok gut sehen kann und außerdem war in der Episode „Das Pegasus-Projekt“ mit Commander Sirol ein dunkelhäutiger Romulaner zu sehen.
Doch diese Folge feierte sechs Jahre nach dem Erscheinen dieses Buches ihre Premiere und so sind solche Fehler nicht verwunderlich, denn es ist zum Beispiel klar, dass die Mannschaft Enterprise NX-01 zwar über Phasenpistolen und Phasenkanonen verfügte, obwohl die Crew der USS Enterprise hier noch Laserpistolen (vgl. S. 434) und „schwere Laserbatterien“ (vgl. S. 79) nutzt.
Andererseits ist dies jedoch auch einer der inneren Widersprüche des offiziellen Kanons, da im urpsrünglichen TOS-Piloten "Der Käfig" wurden ebenfalls Laser benutzt wurden.
Ebenso wenig unverständlich ist, dass die NX-01 als Namensvetter in der angeblich kompletten Liste George Kirks fehlt (vgl. S. 177), doch eine einzige Information schafft es trotzdem, der gesamten Geschichte einen vernichtenden Schlag zu versetzen.
Kirks genialer Einfall, die romulanische Invasionsflotte durch einen Bluff um eine von der Föderation entwickelte Tarntechnologie von einem Angriff abzuhalten, ist damals durchaus brillant gewesen, denn diese Falschaussage war für die Romulaner sicher Motivation genug, ebenfalls eine entsprechende Technologie zu entwickeln.
Im Rahmen der Originalserie funktionierte dies auch, doch in der eingangs bereits erwähnten ENT-Episode „Das Minenfeld“ stößt die Enterprise NX-01 bereits auf ein romulanisches Schiff, dass sich tarnen kann. Die Folge, die damit übrigens auch einigen Kanoninformationen widerspricht, versetzte der Pointe dieses Werkes damit einen unverdienten Todesstoß, und reißt den Roman erst auf den letzten Seiten in den gnadenlosen Strudel der nicht-kanonischen Werke hinab.

Fazit: „Die letzte Grenze“ ist ein Buch, das auf besonders hinterhältige Weise vom Kanon aufs Kreuz gelegt wurde. Erst auf dem Höhepunkt des Werkes wird Kirks geniale Idee, Tarnanlagen ins Feld zu führen, durch die bereits zuvor in ENT gezeigt Verwendung der Technologie als absurd hingestellt.
Die vielen Logiklöcher, die verkorkste zeitliche Einordnung, das kitschige Ende und die schon ins rassistisch abgleitenden Bemerkungen zerren weiter an dem Roman.
Doch er hat auch seine Vorzüge. Die Geschichte ist komplex, ohne extrem verschachtelt zu sein und startet ein wahres Feuerwerk an Hintergrundinformationen. Besonders die Romulaner werden mit viel Spielraum bedacht und Kirks Vater gibt eine Figur ab, die sich nicht vor der Darstellung im elften Kinofilm zu verstecken braucht.
Auch wenn es nur um eine Nasenlänge dem Vorgänger „Fremde vom Himmel“ voraus ist, kann man dennoch festhalten, dass dies der lesenswerteste Band der Reihe „Die Anfänge“ ist.

Denkwürdige Zitate:

Himmel, ich bin Arzt und kein … kein … was weiß ich.
McCoy, S. 14

Es ist das Schiff, Pille. Ja daran liegt es. Die Droge namens Raumschiff macht süchtig und zerstört echtes, persönliches Glück.
Kirk, S. 129

Oh, ich glaube, du paßt sehr gut zu mir. Denk nur an meine Vorzüge. Ich bin nicht nur würdevoll und ehrenhaft, sondern auch reizend, unterhaltsam, witzig und großzügig. Hinzu kommt, daß ich bei jedem Bad darauf achte, mich zwischen den Zehen zu waschen.
Fußhygiene? Ich soll dich heiraten, weil du großen Wert auf Fußhygiene legst?
Das ist eine meiner besten Eigenschaften.“
Robert April und Sarah Poole, S. 301

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Der April weiß, was Frauen wollen

Mit anderen Worten: Vielleicht hat unser lieber George noch nicht ins Gras gebissen. Wenn es dort unten überhaupt Gras gibt.
Lt. Reed, S. 321

Wer in dieser Galaxis lebt, muß immer wieder problematische Entscheidungen treffen.
T’Cael, S. 427

Bewertung: Das beste der Reihe, doch nur geringfügig besser als der Vorgänger.

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Weiterführende Leseliste:

Die Anfänge 01: Die erste Mission
Die Anfänge 02: Fremde vom Himmel
Die Anfänge 03: Die letzte Grenze

1 Kommentar:

  1. ja backup ...
    ich erinnere mich an meine allerersten PC Schritte.
    Damals war ein Computer mit einem Betriebssystem (!) BASIC, dass ins EPROM gebrannt war etwas sensationell Neues. Als dieses Buch geschrieben worden ist, konnte man Programme noch entfernen und in der hohlen Hand wegtragen.
    Die Sache mit den Informationen innerhalb der Sternenflotte bzw. der Föderation im Allgemeinen ist auch so eine. Als Picard die zeitreisenden Borg bei ihrem Angriff auf den ersten Warpflug weggeputzt hat, sind ja einige in die Antarktis gefallen und wurden dort konserviert um später-früher (je nach Zeitreise - Sicht) Captain Archer eine Freude zu machen. Deshalb ging dann viel später mal die Familie Hansen auf Forschungstour und noch davor, zu Kirks Zeiten kamen die Borg die El-Aurelianer besuchen. Trotzdem, obwohl in den Datenbänken der Enterprise D ja jeder Mist gespeichert ist (inklusive der Biografien von Leuten, die sich haben einfrieren lassen), weiß Picard nichts von den Borg, als Q die Enterprise direkt vor einen Kubus setzt... Da brauche ich keine Bücher um an der Informationspolitik der Erde zu verzweifeln.
    Gruß
    Erik

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