Samstag, 16. Mai 2009

Vendetta

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Buchbesprechung David, Peter: Vendetta. Heyne, 1991.

Story:

Die Borg sind zurück!
Nach seiner Niederlage gegen die Menschen schickt das Kollektiv erneut einen Kubus tief ins Föderationsgebiet. Als dieser die Heimatwelt der insektenhaften Penzatti erreicht, richtet er ein wahres Blutbad unter der Bevölkerung an. Doch kurz vor der völligen Vernichtung des Planeten taucht urplötzlich ein weiteres Schiff auf und schafft, was eigentlich als unmöglich gilt: Mit lediglich zwei Schüssen zerstört es den riesigen Würfel.
Den Föderationsschiffen USS Enterprise, USS Chekov und USS Repulse gelingt es, nach und nach die Identität des mysteriösen Angreifers zu lüften: Es handelt sich um eine verbesserte Version des Planetenkillers, der 2267 von James Kirk vernichtet wurde. Dieser frisst sich nun unaufhaltsam durch die gesamte Galaxis bis in den Borgraum und verschlingt ganze Systeme, um seinen gigantischen Energiebedarf zu stillen. Doch wer hat dieses Schiff gebaut? Warum fliegt es auf direktem Weg in den Deltaquadranten? Wer steuert dieses Schiff?
Picard und seine Crew stellen Theorien und Hypothesen auf, doch nur eine Person an Bord kennt eine Antwort: Guinan. Mit ihrer Hilfe stellt der Captain der Enterprise Kontakt zu einer Frau her, die Guinan als ihre „Schwester“ bezeichnet. Doch auch für Picard ist sie keine Unbekannte: Bereits seit seiner Akademiezeit war diese Frau Dreh- und Angelpunkt mehrerer intensiver Träume und ihm wird klar, dass er selbst dafür verantwortlich ist, dass jene Delcara sich die Macht der Planetenkiller zunutze macht, um ihren Hass gegen die Borg Ausdruck zu verleihen.
Schon bald findet sich die USS Enterprise zwischen den Fronten wieder. Gleich drei Borgkuben haben einen Kurs auf den Planetenkiller gesetzt und Picards letzter Versuch, Delcara vom Wahnsinn ihres Unterfangens zu überzeugen, gipfelt darin, dass er an Bord des riesigen Berserkers gefangen ist, als die Schlacht beginnt…

Lobenswerte Aspekte: „Vendetta“ ist ein mutiges Crossover der Folgen „Der Planetenkiller“ (TOS) und „Angriffsziel Erde“ (TNG). Daneben finden sich unzähligen weitere Referenzen auf Episoden aus TOS und TNG, die von der Expertise des Autors Peter David zeugen. Sein Roman glänzt in Stil und Aufbau. Geschickt eingestreute Informationen schichten sich aufeinander und beeinflussen den weiteren Verlauf; die Handlungsstränge sind gekonnt miteinander verwoben. Ich gebe sogar zu, dass mich dieser Roman für das offensichtliche Talent Davids begeisterte.
Klug lässt er Picard schlussfolgern, warum der Planetenkiller eben nicht aus einer anderen Galaxie kommen kann und auch das beliebte Motiv, ein Star-Trek-Buch an größere literarische Werke zu heften, funktioniert hier recht gut. Alle Teile fügen sich zu einem einheitlichen Ganzen zusammen und mit ‚Gastauftritten’ bekannter Figuren wie Loskene, Argyle oder Pulaski gelingt ein Bogen, in dem TOS genauso integriert wurde, wie die TNG-Staffeln eins und zwei.
Überhaupt lässt sich ein sehr großes Einfühlungsvermögen für Star-Trek ausmachen. Die Charaktere sind recht gut wiedergeben und auch anderen Spezies wird Aufmerksamkeit zuteil. Der Streit der Ferengi etwa, bei dem die kleinen Erzkapitalisten um die wahren Verluste der Sternenflotte bei Wolf-359 spekulieren, ist gleichermaßen für die frühen Ferengi der ersten TNG-Staffel glaubwürdig, als auch für die später in Deep Space Nine vorgestellten Mitglieder der Spezies.
Die Computer der Penzatti, die zu den Borg überlaufen, repräsentieren in meinen Augen hingegen einen Schulterschluss mit anderen, klassischen Science-Fiction-Werken und jenes Kapitel spielt eindrucksvoll mit dem Motiv der Asimovschen Gesetze der Robotik
Umso logischer, dass schließlich am Ende dieses Romans eben kein allgemeines Happy-End die Geschichte befleckt, denn dem ersten Eindruck zum Trotz verliert sich die Handlung nicht in einer kitschigen Liebesgeschichte, einer langweiligen Übersinnlichkeitserfahrung oder eine handlungsarmen Borgverfolgungsjagd. Gerade deswegen ist der Schluss, trotz seiner anachronistischen Züge, überaus gelungen.

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Crossover der Markenprodukte: (Tu)Borg (Finger weg vom Alkohol!!) treffen auf den Planetenfresser (hier beim Verzehr von Sol IV)

Kritikwürdige Aspekte: Könnt Ihr Euch noch an die TNG-Episode „Ich bin Hugh“ erinnern? Ein verletzter männlicher Borg wird auf die Enterprise gebracht, wo er als eine Art Überträger für ein tödliches 3D-Bild gegen die schlimmsten Feinde der Föderation eingesetzt werden soll. Picard meinte in dieser Folge „Es ist keine Person, verdammt, sondern ein Borg!“, Guinan besiegte Picard mit den Worten „Sie hatten Mitleid mit mir… Und was brachte es ein?“ und Worf ließ sich sogar zur Bemerkung „Töten Sie es! Es muss aussehen, als wäre es bei dem Crash gestorben!“ hinreißen.
Die gesamte Atmosphäre unterschied sich völlig von der, die herrschte, als in „Vendetta“ eine verletzte weibliche Borg auf die Enterprise gebracht wurde. Picard und Guinan waren im krassen Gegensatz zu ihrem späteren Auftreten die Freundlichkeit in Person und nur Geordi war in beiden Fällen der liebevolle Borgsitter.
Dass ausgerechnet dieser Geordi dann auch noch dafür plädiert, mithilfe von Naniten (TNG „Die Macht der Naniten“) Völkermord zu begehen, steht ebenfalls nicht mit dieser Folge im Einklang. Und mal im Ernst: Naniten gegen die Borg, dass ist jetzt schon irgendwie Feuer mit Feuer bekämpfen...
Als besonders unangenehm empfand ich den Streit zwischen Geordi und Crusher. Nicht dass dieser unvorstellbar wäre, aber beide zicken sich plötzlich an wie zwei alte Waschweiber. Natürlich kann es hier und da mal zu Spannungen zwischen den einzelnen Crewmitgliedern kommen, doch der Streit zwischen beiden ist den entsprechenden Figuren unwürdig und unpassend.
Gleichermaßen mäßig geraten ist die Idee des Autors, den Ferengi Turane als neuen Sprecher der Borg zu installieren. Nun gut, „Locutus“ könnte man knapp und frei mit „Sprecher“ übersetzen, der hier vorgestellte „Vastator“ hingegen, ist, ebenso frei übersetzt „jemand, der etwas verwüstet“; aber woher können die Borg so gut Latein?
Außerdem geht „Locutus“ ungleich lockerer und fluffiger von den Lippen, als eben „Vastator“. Als ob dieser zeigen wollte, dass die Namensgebung andersherum sinnnvoller gewesen wäre, verwüstet der assimilierte Ferengi ungleich weniger (im Prinzip sogar gar nichts) und ist für einen Borg redseliger, als es der assimilierte Picard je war.
Doch ohnehin hatte David bei der Namenswahl nicht unbedingt ein glückliches Händchen. Der erste Offizier des Ferengischiffes, dessen Captain später zu „Vastator“ werden sollte, hieß tatsächlich „Martok“!
Wie immer bleibt schließlich auch die Übersetzung als Kritikpunkt. Alle klassischen Fehlgriffe feiern hier ein Familienfest und sie sind alle zur großen Party gekommen:
Fehlübersetzungen wie „Insignienkommunikator“ (S. 60), „Diskussegment“ (S. 262) oder „Gesellschaftsraum des zehnten Vorderdecks“ (S. 81) tummeln sich friedlich neben unübersetzt belassenen Begriffen wie „Starfleet“ (S. 19) oder „Starfleet Command“ (S. 189)
Zudem stolpert man andauernd über Kombinationen mit unüblichen Vorsätzen wie „Medo“ (-Offizier, S. 89; -Techniker, S. 111, -Fracht, S. 174; -Personal, S. 402; -Gruppe S. 403) oder „Erg“ (-Lecks, S. 194; -Zellen, S. 374) oder man trifft auf unüblichen Pronomen wie „die Counselor“ oder „das VISOR“.
Vom freudigen Wiedersehen mit „Desaktivierung“ (S. 15), „interstellarer Völkerbund“ (S. 76) oder „Galaxis-Schiffe“ sei nur am Rande berichtet.
Doch die Übersetzung sollte nicht in Gänze verurteilt werden. Die Anmerkung auf S. 14 ist hilfreich und die geschickte Übersetzung der Abkürzung VISOR als das „visuell organische Restitutionsobjekt“ verzichtet auf eine eigenständige deutsche Benennung, die nicht mit der in TNG desöfteren angesprochenen Apparatur in Verbindung zu bringen wäre.
Schließlich störte mich noch eines ganz besonders: Um die Buchteile voneinander zu separieren, nutzte man scheußliche Abstraktionen der Enterprise, die, an ein Schiff der Constitution-Klasse angelehnt, irgendwie nicht zu diesem TNG-Roman passen wollen.

Anachronismen: Um es gleich zu Beginn zu sagen: „Vendetta“ tapst unbedarft in die böse Falle, vom Kanon eingeholt zu werden. Abgesehen von den bereits angesprochenen großen Unterschieden zur Folge „Ich bin Hugh“ lassen sich aber auch noch weitere Unstimmigkeiten finden.
So erinnert Reannon Bonaventure Deassimilierung trotz ihres Fehlschlags an den Einstieg Seven of Nines in Star Trek Voyager. Besonders auffällig ist dies auf Seite 322, auf der die junge Frau plötzlich wieder Haare hat (ohne dass dies irgendwie erklärt wird).
Überhaupt scheint die Reise der Voyager die meisten Anachronismen aufzudecken. So wird in der Folge „Die Schwelle“ Guinans Warp-Zehn-Theorie und damit auch dem Ende des Buches das Wasser abgegraben. Seven of Nines Menschwerdung steht hingegen verflucht oft den Erklärungen über die Borg im Wege. So lassen sich die Berichte über die Auseinandersetzungen zwischen den „Bewahrern“ und den Borg genauso wenig bewahrheiten, wie die Hypothese, dass die höheren Funktionen einzelner Borgdrohnen vom Kubus aus gesteuert werden.
Deep Space Nine dagegen räumt vor allem mit den Mythen und Legenden um die Ferengi auf. So wird die Unterwelt der Ferengi in „Quarks Schicksal“ anders als im Buch dargestellt und auch einem Oberkommando, dass der Flotte der Ferengi vorsteht, wird mit der Einführung des großen Nagus’ eine Absage erteilt. Dass Menschen im Gegensatz zu den Ferengi keinen Wert mehr auf monetäre System legen, wird spätestens in „Die Karte“ deutlich, so dass Riker sicher kaum besser „bezahlt“ (S. 120) wird als LaForge, da dies zudem den Idealen der Föderation nicht sonderlich entsprechen würde.
Auch die im Buch gleich zwei mal auftretenden Anspielungen auf die bereits ausgestorbene Sportart Baseball habe ich weder Picard noch Shelby wirklich abgenommen. Sie hätten sicherlich gut zu Sisko gepasst, jedoch nicht zu einem Franzosen oder einer so karrierehungrigen Frau.
Den in meinen Augen amüsantesten Bruch mit der allgemeinen Chronologie kann man wahrscheinlich nur heute als einen solchen erkennen. Erst seit es Memory Alpha gibt, wo man so wirklich jeden kleinen Informationsfetzen finden kann, weiß der gut informierte Fan, dass die USS Chekov, die laut David bei der Schlacht von Wolf-359 zu spät eintraf, eben doch das ‚Glück’ hatte, daran zu partizipieren. Entgegen der recht lebendigen Schilderungen im Buch würde das Schiff der Springfield-Klasse dort zerstört.
Ebenfalls amüsant ist der Umstand, dass David Captain Taggert zu einer Frau werden ließ, obwohl man bereits in der zweiten Staffel, die er eigentlich hätte kennen müssen, den vollbärtigen (männlichen) Captain zu Gesicht bekommt. Doch David retten diesen selbstverschuldeten Faux-pas durch eine Äußerung im von ihm verfassten Buch „Starfleet Kadetten 03: Mission auf Dantar“. Dort erwähnt der alte Taggert nämlich, dass auch seine Tochter in der Sternenflotte dient, und dass er hofft, dass sie eines Tages seinen Stuhl auf der USS Repulse übernehmen würde.
Allerdings sollte in diesem Zusammenhang bemängelt werden, dass in „Starfleet Kadetten 16: Picards erstes Kommando“, dem Werk der beiden Autoren Brad und Barbara Strickland, ebenfalls ein Gegenspieler aus Akademiezeiten eingeführt wurde. Ohne Zweifel wäre es geschickter gewesen, sich hier auf das Werk Davids zu beziehen, um in den Romanen eine gewisse Kontinuität zu wahren. Aber wer weiß; die Angst vor einer Klage ob der Urheberrechte und eine daraus resultierende mögliche finanzielle Beteiligung kann besonders im Rechtssystem der Vereinigten Staaten unheimlich abschrecken.
Abschließend soll jedoch, nach der ganzen Krittelei, auch lobend erwähnt werden, dass Peter David vorausgesehen hat, aus welcher Ecke des Raums die Borg stammen: Aus dem Delta-Quadranten.

Fazit: „Vendetta“ ist durchaus ein lesenswerter Roman. Wer sich nicht von der im ersten Moment recht abschreckende Story beirren lässt, wird mit einem recht angenehmen, gut geschriebenen und sogar spannenden Roman belohnt. David umschifft geschickt die drohenden Klippen der Schnulzigkeit, verbindet TOS-Elemente geschickt mit einer TNG-Handlung und nutzt auf angenehme Weise Motive aus anderen literarischen Genres.
Doch der Roman wagt zu tiefe Einblicke und in seinem Kielwasser sammeln sich zu viele Anachronismen, als dass sie einfach ignoriert werden könnten. Schon allein die Folge „Ich bin Hugh“ stellt den Inhalt dieses Romans so sehr in Frage, dass er sich nur mit größtmöglicher Ignoranz für den offiziellen Kanon in die allgemeine Zeitlinie eingliedern ließe.

Denkwürdige Zitate:

Das All ist erbarmungslos. Es nimmt keine Rücksicht auf übertrieben selbstsichere und sogar vermessene Individuen.“ Talbot, S. 16

Ich bin dick und Sie haben eine Glatze. Was mich betrifft: Ich kann jederzeit abnehmen…“ Cpt. Korsmo zu Cpt. Picard, S. 68

Du bist irrelevant.“ Das Borgkollektiv zu Turane, S. 106

Captain, ich habe gelernt, daß es nie angebracht ist, ‚nie’ zu sagen. Das Wörtchen ‚niemals’ hat die scheußliche Angewohnheit, schon nach kurzer Zeit dem Ausdruck ‚zum erstenmal’ zu weichen. “ Guinan, S. 211

Wir sind groß. Wir sind mächtig. Wir sind die Rache. Wir sind die Witwe des Universums. Wir sind Vendetta.“ Die Vielen, S. 263

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Die Vielen: V wie Vendetta

Bewertung: Gut, aber mit dem Kanon auf Kriegsfuß.

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