Samstag, 18. April 2009

Das Klingon-Gambit

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Buchbesprechung Vardeman, Robert E.: Das Klingon-Gambit. Heyne, 1981.

Story: Plötzlich, von einer Kartografierungsmission abkommandiert, findet die Crew der USS Enterprise NCC-1701 eine bedrohliche Situation im Alnath-System vor: Ein in Gänze mit vulkanischen Besatzungsmitgliedern geführtes Föderationsschiff treibt führerlos im Raum. Alle Insassen sind tot. Sofort wird Kirk klar, dass nur die Klingonen, die sich lediglich einen Katzensprung entfernt im Orbit von Alnath II befinden, für diesen Vorfall verantwortlich sein können.
Ein andorianisches Archäologenteam, das von den Vulkaniern auf dem Planeten abgesetzt wurde, untersucht derweil eine rätselhafte, riesige und schwarze Pyramide. Mit der Zeit findet Kirk heraus, dass sie allein ihm die Antwort auf die Frage liefern kann, warum sich seine Crew so merkwürdig benimmt: Scotty nimmt das halbe Schiff auseinander, um die Triebwerksleistung zu erhöhen, McCoy näht in übertriebener Ablehnung jeglicher Maschinen wieder mit Nadel und Faden und Spock scheint mit einer Frau anzubändeln ohne sich im Pon Farr zu befinden. Andere Crewmitglieder verlassen ihre Posten, prügeln sich oder feiern wilde Orgien in den Gängen des Schiffes. Doch nicht nur Kirks Besatzung ist von plötzlicher Insubordination getroffen: Auf dem Klingonenschiff häufen sich die Disziplinarstrafen und als der aufmüpfige Erste Offizier Captain Kaghs das Kommando übernimmt, um Kirk zu töten, eskaliert die Situation schließlich vollends…

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Da würde selbst Indiana-Jones neidisch werden: Die Stargate-Pyramide im Wüstensand von Alnath II

Lobenswerte Aspekte: Geradezu prophetisch beschreibt Vardeman das Verhältnis zwischen Vulkaniern und Andorianern. Sobald der andorianische Ausgrabungsleiter Spock sah und über ihn und die gleichermaßen spitzohrigen Personen herzog, die ihn auf diesen Planeten brachten, habe ich den Geist der frühen andorianisch-vulkanischen Beziehungen um die Mitte des 22. Jahrhunderts denken müssen. Obwohl der Autor 1981 überhaupt noch nichts von der erst zwanzig Jahre später erstausgestrahlten Serie wissen konnte! In die gleiche Sparte fällt sicherlich auch die Verwendung von „Holographien“ (S. 27) statt "Fotos", die schon frühzeitig auf Folgen wie DS9s „Der undurchschaubare Marritza“ hinarbeitet.
Auch die Idee, dass die wunderschöne Stadt, in der sich viele Begebenheiten der Geschichte abspielen, nichts weiter als eine für den Ausgrabungsleiter erschaffene Illusion ist, fand ich wirklich gut.

Kritikwürdige Aspekte: Man kann kaum in Worte fassen, wie schlecht dieses Buch ist. Doch der Reihe nach: Es gibt für dieses Werk zwei verschieden gestaltete Cover. Auf dem einen ist eine auf dem Kopf fliegende Enterprise zu sehen, während auf dem zweiten, das ich besitze, bereits eine künstlerisch wertfreie Komposition aus einer in der Perspektive völlig krumm und schief wirkenden Enterprise, einem klingonischen Kampfkreuzer, den beiden mäßig getreu nachgebildeten McCoy und Kirk und einem unheimlich schlecht dargestellten und finster dreinschauenden Klingonen vom Kauf des Buches abrät.
Auch der widerliche Titel „Das Klingon-Gambit“ stößt dem Leser während der Lektüre immer wieder auf. Zum einen ist er furchtbar übersetzt (es hätte ja nun wenigstens „Das Klingonen-Gambit“ oder „Das Gambit der Klingonen“ heißen können) und zum anderen fragt man sich ständig, was er mit der Geschichte zu tun haben soll. Laut Wikipedia bezeichnet ein Gambit beim Schach einen Anfangszug, dessen Sinn es ist, aus einem vermeintlichen Opfer einen taktischen Vorteil zu erhalten. Ich habe das Buch wirklich aufmerksam gelesen, aber weder spielten die Klingonen Schach, noch konnten sie einen Gambit im übertragenen Sinne anbringen. Doch Wikipedia weist im Verlauf des Eintrags darauf hin, dass dieser Begriff im englischen Sprachraum eine Bedeutungserweiterung erfahren hat, und auf „[…] eine riskante und trickreiche Strategie bzw. eine geschickte Eröffnung eines Gesprächs oder einer Verhandlung, um einen Vorteil zu erlangen“ abzielt. Doch weder eine „Strategie“ (also ein geplantes Vorgehen) noch eine „geschickte Eröffnung eines Gespräches“ habe ich irgendwo im Text ausmachen können, auf die der Titel auch nur im Entferntesten anwendbar wäre.
Wenn man trotz aller Warnungen, die Cover und Titel geben, das Buch liest, wird man mit schlecht getroffenen Figuren, unnachvollziehbaren Wendungen und einer langweiligen Story gequält, die irgendwo zwischen den TOS-Episoden „Falsche Paradiese“, „Implosion in der Spirale“ und „Das Gleichgewicht der Kräfte“ liegt. Die langweilige Erzählweise und die fehlende Tiefe in den Dialogen (vgl. „Denkwürdige Zitate“) machen die Lektüre zu einer endlosen Tortur, die die Sache einfach nicht wert ist.
Wiederum beweisen die vielen kleinen Fehler, wie wenig sich der Autor mit der Materie Star Trek auskannte und wie überhaupt nicht er in der Lage war, wenigstens halbwegs logische Erklärungsansätze zu bieten.
So erschrak ich schon etwas, als die Klingonen die Frequenz ihrer Waffen so einstellten, dass sie die maximale Schwächung erzielen. Warum nutzen sie dan nicht gleich, wie in Star Trek VII die richtige Frequenz, um sie zu zerschlagen?
Und warum benutzen sie plötzlich Phaser? Jeder Sternenflottenkadett weiß doch, dass die damaligen Erzfeinde der Föderation Disruptoren verwenden!
Wieso empfängt der Kommunikationsoffizier Uhura vom feindlichen Klingonenschiff eine Strahlung, die nicht zu messen wäre, wenn die Besatzung Gefechtsbereitschaft hergestellt hätte? Was soll das für eine Strahlung sein? Ist es vielleicht Mikrowellenstrahlung, weil sich die hungrigen Krieger lieber kaltes Gagh erwärmen wollen, als gegen einen so unterlegenen Feind zu kämpfen? Oder ist es Wärmestrahlung, weil Klingonen immer die Heizung abdrehen, bevor sie in den Kampf ziehen?
Und warum beschimpfen sich die tapferen Krieger gegenseitig ausgerechnet mit einem Begriff wie „Lerchenficker“? Ganz einfach, hier hat wieder ein freigeistiger Übersetzer zugeschlagen! Nicht, dass er besonderen Fleiß bei der Arbeit zeigte: Ein großer Teil der Originalbegriffe beließ er so, wie er sie vorfand, wodurch sich der Leser über Bezeichnungen wie „Starship“ (S. 7), „Starfleet-Command“ (S. 9) „Subspace“ (S. 8) und viele andere unnötige Anglizismen wie „Cities“ (S. 54), „Inset“ (S. 56) oder „Tic“ (S. 31) freuen darf. Daneben lassen sich sogar mehrere falsch geschriebene aus dem englischen stammende Begriffe wie „Nodule“ (S. 64) „Untrasonics“ (S. 185) oder „Liquer“ (S. 189) finden. Zusammen mit dämlichen deutschen Schreibfehlern wie „Gefassel“ (S. 200) „Teravolt-Ladungen“ (S. 190) und „Univrsum“ (S. 77) ergeben sie ein großes Ganzes, dass problemlos auch die vielen Zeichenfehler, Genusvergehen, vergessenen Wörter (S. 130, Z. 3: „Jahrhundert“) und uneinheitlichen Schreibweisen (Chief/Chef, Deflektor/Deflector, benutzen/benützen) integrieren kann, ohne am Eindruck zu kratzen, den bereits das Deckbild vermittelte.
Um dem Ganzen aber noch eine Krone aufzusetzen, brachte der Übersetzer völlig Star-Trek-fremde Begriffe wie „Soldat“ (S. 40) statt „Offizier“, „Matrose“ (S. 43) statt „Crewman“ oder „Gehörstengel“ (S. 22) statt „Fühler“ in diesem Buch unter. Um nun aber völlig zu verstehen, um wie viel weniger als der Originalautor sich der Übersetzer in puncto Star Trek auskannte, muss man sich nur einmal die Phrase „Hier spricht Captain Kirk vom Starship der Föderation Enterprise […]“ (S. 31) vor Augen halten, und schon weiß man, dass der Erwerb dieses Romans nichts weiter als zur Luftschleuse rausgeworfene Föderationsdukaten ist. Solche Übersetzungen, mit einer solch schwachen Romanvorlage sind definitiv keine auch noch so geringe Investition wert.

Anachronismen: Einen der Anachronismen fand ich äußerst amüsant, zumal er nicht schwerwiegend ist. Kirk spricht nämlich von einer „USS Dominion“ – wahrscheinlich benannt nach dem späteren Kriegsgegner der Sternenflotte. Da stellt sich mir natürlich die Frage, ob es ein Schwesterschiff der „USS Collective“ sein könnte…
Auch der abgetrennte Fühler des Andorianers Threllvon-da hätte eigentlich wenigstens Gleichgewichtsprobleme auslösen sollen, wie sie Shran in der ENT-Episode „Die Aenar“ durchmachen musste. Stattdessen seilt sich der Ausgrabungsleiter munter in die unterirdische Stadt hinab und zeigt auch in anderen gefahrvollen Situationen keinerlei Beeinträchtigung durch diese Verletzung.
Ein anderer, schwerwiegenderer Bruch mit der Star-Trek-Chronologie sollte mit den Worten McCoys verdeutlicht werden. Dieser gibt in Star Trek VI: Das Unentdeckte Land im Zuge der Untersuchung des halbtoten klingonischen Kanzlers Gorkon auf Kirks Nachfrage „Kannst Du ihm helfen?“ zu Protokoll: „Jim, ich kenne noch nicht mal seine Anatomie!“ Später ergänzt er diese Aussage vor einem klingonischen Tribunal durch die Feststellung „Ich wusste, um ihn retten zu können, nicht genug über klingonische Anatomie.
Wenn dem so war, dann hat McCoy wirklich, wie General Chang es andeutete, an seinem hohen Alter gelitten, denn im Buch wird beschrieben, wie er, noch im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte, erfolgreich eine ähnliche Verletzung bei einem Klingonen behandelte.

Fazit: Man kann diesem sehr einheitlichen Werk beim besten Willen nicht vorwerfen, potentielle Käufer in die Irre geführt zu haben. Vom Titel, über das Cover; vom Inhalt bis zur Übersetzung: Die mangelnde Qualität wird in jedem einzelnen Aspekt dieses Werkes deutlich und auch wenn sich ein, zwei positive Dinge darüber sagen ließen, so wären sie doch im Hinblick auf den Rest des Buches nur ein Tropfen auf den heißen Stein. In einer Liste mit Star-Trek-Romanen, deren Rezeption absolut sinnfrei wäre, verdient „Das Klingon-Gambit“ es fraglos, einen der obersten Plätze einzunehmen.

Denkwürdige Zitate:

Tot? Sie sind tot? Wie unwissenschaftlich von ihnen.“ Dr. Threllvon-da, S. 26

Du Nutte! Du wirst ihn mir nicht wegnehmen!“
Er liebt mich, du billige Pillen-Jule! Und niemand wird ihn mir wegnehmen!“ Christine Chapel und Candra Avitts, S. 67

Der Grund dafür ist, daß Sie ein Halbblut sind, Spock. Sie sind weder Fisch noch Fleisch. Sie sind irgendetwas dazwischen. Sie sind etwas, das dabei herauskommt, wenn ein Pferd in einen Eselstall gerät.“ McCoy, S. 152

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Fisch oder Fleisch? Eine Frage die uns alle irgendwann einmal bewegt

Bewertung: Vom Cover bis zum Buchrücken armselig.

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1 Kommentar:

  1. Ein toller Blog! Anfang der 90er habe ich viel Taschengeld in diese Romane investiert und sie mit geradezu verrückter Begeisterung gelesen. Irgendwann war Star Trek dann nicht mehr ganz so wichtig und Platz hatte ich auch keinen, so dass die Dinger ihr weiteres Dasein im dunklen Keller fristen mussten. Jetzt bin ich wieder einmal umgezogen und die Bücher haben endlich Platz in den Regalen. Das muss selbstverständlich entsprechend gefeiert werden und deshalb ist bei mir der Plan aufgekommen, doch einfach noch mal alle alten Romane zu lesen. Begonnen habe ich mit denen zur klassischen Serie und zwar mehr oder weniger in der ursprünglichen Veröffentlichungsreihenfolge.

    Der Roman zum ersten Film und McIntyres "Entropie-Effekt" haben auch gleich Spaß gemacht, aber dann … dann … dann kam das Klingon-Gambit. Diese Lektüre hat wirklich ein paar ernste Fragen aufgeworfen: Hat mir dieser Kram im Alter von 13 oder 14 Jahren wirklich gefallen? Sollte ich beim Lesen der Bücher aus Sicherheitsgründen immer ein Medo-Kit [:D] bereithalten? War der dunkle Keller nicht vielleicht doch ein schöner Ort für diese Schätzchen?

    Leider habe ich erst jetzt im Netz gesucht, denn sonst hätte ich schon vor ein paar Wochen gewusst, dass es Leidensgenossen gibt, die das Klingon-Gambit überlebt haben! Ich habe es auch geschafft und mittlerweile rund 25 Romane gelesen. Da waren ein paar üble Dinger dabei (z. B. "Corona", "Herr der Schatten"), aber eben auch Bücher, die mir gut gefallen haben (z. B. "Die Macht der Krone", "Sohn der Vergangenheit", "Der verwundete Himmel" oder "Uhuras Lied").

    Ich freue mich jedenfalls, dass ich Deinen Blog gefunden habe und finde die umfangreichen Besprechungen super. Hoffentlich gibt es bald eine Fortsetzung!

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